Sex nach der Geburt: Zweisamkeit trotz Dreisamkeit

Sex nach der Geburt

Es fällt mir wirklich schwer zum Thema “Sex nach der Geburt” eine passende Einleitung zu finden. Daher versuche ich es mal so: Als ich zur Rubbelmama gesagt habe, dass ich gerne einen Beitrag über “Sex nach der Geburt” schreiben wollte, war ihre Reaktion stellvertretend für viele andere denke ich. Sie fand es sehr interessant aber auch sehr, sehr persönlich. Ich kann das vollkommen nachvollziehen aber gleichzeitig beschäftigt mich das Thema und vor allem die Frage, wie lange die meisten nach der Geburt des Kindes gewartet haben, bis sie wieder Sex hatten. Und wie sind sie überhaupt mit dem Thema umgegangen? Das auf der einen Seite natürlich die körperliche Genesung der Frau eine wichtige Rolle einnimmt, ist eh klar. Aber wie schaut es da vor allem psychologisch in den Köpfen der frischen Eltern aus?

Ich möchte hier also einfach mal Einblick in meine Gedankenwelt und Erfahrung zu dem Thema gewähren. Vielleicht dazu erst einmal ein kurzer Rückblick auf die Zeit vor der Geburt:

Sex vor der Geburt

Eines schon mal vorneweg, wir waren nicht enthaltsam und hatten durchaus Sex in der Schwangerschaft. Ich gehöre nicht zu den Männern, die ihre Frauen nicht mehr attraktiv finden, nur weil sie sich in der Schwangerschaft körperlich verändert hat. Gedanken, dass ich vielleicht mit meinem “Kumpel” das ungeborene Kind verletzen könnte, waren nun wirklich zu keiner Zeit gegeben und das halte ich auch für totalen Schwachsinn und sollte es wirklich Männer geben, die so denken, dann ist das wohl so … und zeugt meiner Meinung nach von mangelnder Aufklärung.

Wenn sich für mich etwas verändert hat, was sich auf unser Sexleben ausübte, dann war es vor allem meine Psyche. Ich war ja quasi grade im Prozess, mich von meinem bisherigen Leben als “großer Junge” zu verabschieden und mich bereit zu machen, Verantwortung für einen kleinen Jungen zu übernehmen und in die Rolle des Versorgers zu schlüpfen. Und der Bauch der Rubbelmama erinnerte mich natürlich mit zunehmender Größe daran, dass dieser Zeitpunkt immer näher rückte. Ein Wahnsinn für jemanden, der gerne alles auf “Morgen” verschiebt. Sollte von meiner Seite aus während der Schwangerschaft die Lust auf Sex nachgelassen haben, dann unter anderem deshalb, weil ich mich innerlich noch nicht ganz von meinem bisherigen Leben verabschieden konnte.

Ein anderer Grund dafür sind auch die Hormone. Auch bei Männern wird schließlich während der Schwangerschaft die Testosteron-Produktion runtergeschraubt, was uns Männer im Endeffekt familiärer werden lässt. Auch das Couvade-Syndrom ist eine Folge der hormonellen Umstellung beim Mann. Ich bin jedenfalls ehrlich, wenn ich sage, dass Schmusen und Kuscheln für mich stark an Bedeutung gewonnen haben in dieser Zeit. Möglicherweise auch auf Kosten meiner Libido.

Mit Fortschreiten der Schwangerschaft würde ich sagen, dass sich die körperliche Zweisamkeit der Situation angepasst hat. Allein körperlich ist für die schwangere Frau einfach nicht mehr jede Stellung oder Position machbar. Ohne jetzt zu privat werden zu wollen, würde ich es so zusammenfassen, dass wir Sexualität insofern neu entdecken mussten, in dem wir ausprobierten, was geht, und was nicht. Das Repertoire verkleinert sich also im Vergleich zur Vor-Schwangerschaft und generell schraubt man das Temperament vielleicht einen Gang zurück und wird vorsichtiger.

Die letzten vier Wochen der Schwangerschaft hat mich vor allem ein Gedanke sexuell ausgebremst. Gestärkt wurde das dann auch durch unsere Horrornacht in der Virchow Charité Berlin ca. 2,5 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, als uns mitgeteilt wurde, dass die Geburt gleich losgehen wird. Von dem Moment an hatte ich wirklich Angst, dass vielleicht die Fruchtblase schon geplatzt sein könnte und wir es nicht bemerken oder bemerkt haben und somit Bakterien dem Baby gefährlich werden könnten. Im Nachhinein betrachtet: Ego-Panikmache und Ego-Psychomacke … aber sicherlich nicht selten für einen Erstlingspapa. Oder doch???

Sex nach der Geburt

Es gibt keine feste Vorgabe oder Norm, wann man wieder Sex nach der Geburt haben kann. Viel zu inidividuell sind hier die Faktoren, die diese Rechnung beeinflussen. Ich habe unter anderem gelesen, dass im Durchschnitt zu ungefähr 6 Wochen Enthaltsamkeit geraten wird. Diese Zeitangabe will ich nicht festmeißeln und auch nicht als Richtwert ausrufen. In erster Linie war für mich klar, dass die Rubbelmama das entscheiden muss. Ich werde mich auf jeden Fall in Geduld üben und sie auf keinen Fall damit unter Druck setzen. Schwer ist es mir auch nicht gefallen, denn ich war ja (wie ihr in meinem Geburtsbericht lesen konntet) live bei der Geburt dabei. Auch wenn die Erfahrung sehr intensiv war und ich Zeuge wurde, was ihr Körper geleistet hat, so kann ich auf jeden Fall ihre Angst abweisen, dass ich sie nach der Geburt nicht mehr sexy finde, weil mir die Bilder der Geburt zugesetzt haben könnten. Die Geburt war intensiv – ohne Frage – aber für mich ist sie jetzt meine Freundin, mein bester Freund, meine Frau und die Mutter meines Sohnes … ich würde sagen, für mich ist sie jetzt komplett! Und ich bin wirklich sehr froh darüber, sie mit diesen Augen zu sehen und deshalb auch sehr glücklich und dankbar für mein aktuelles Leben.

Weil ich mir aber wegen der Geburt sehr große Sorgen um meine Frau gemacht habe und sie in den ersten vier Wochen im Wochenbett nur sehr kleine Schritte in Richtung Genesung machte, war Sex nach der Geburt für mich absolut kein Thema. Dafür war ich auch viel zu nah dran, um zu wissen, dass sie körperlich und auch seelisch aufgrund des Geburtstraumas noch weit davon entfernt war, an Sex zu denken. In dieser Zeit haben wir uns wirklich als Mama und Papa finden müssen. Und auch dies gestaltete sich für meine Frau anfangs recht schwierig, wie sie sehr eindrucksvoll in diesem Brief niedergeschrieben hat. Bis hierher galt also eher: Kein Sex nach der Geburt. Aber das war total okay!

Für mich war auf jeden Fall klar gewesen, dass Sex mit meiner Frau zu haben etwas ist, auf was ich in Zukunft nicht verzichten wollte, nur weil wir ein kleines Kind haben. Der Zeitpunkt wird sich schon von alleine ergeben. Zu sehen, wie sie mit unserem Sohn umgeht, macht sie für mich einfach nur toller als sie ohnehin schon ist. Und ein Kommentar von ihr hat mir verraten, dass dieser Gedanke auch bei ihr so gegeben ist. Die Grundvoraussetzungen sind also durchaus positiv, auch weiterhin als Paar zu funktionieren. Eine Angst, die durchaus viele haben, nach der Geburt nicht mehr Mann und Frau, sondern nur noch Mama und Papa zu sein. Und auch hier ist wohl Kommunikation ein ganz essentieller Schlüssel. Ich schreibe dies, weil ich unter anderem in den Kommentaren auf Vaeter-Zeit.de zu diesem Thema lesen konnte, dass dies nicht bei allen Partnerschaften nach der Geburt der Fall zu sein scheint.

Dann war da noch der Kontrolltermin beim Frauenarzt (bei dem ich auch wieder dabei war … like a STALKER!). Dieser verlief durchweg positiv und es wurde außerdem Entwarnung gegeben, was Sex nach der Geburt angeht, weil körperlich alles sehr gut bei ihr verheilt ist und Geschlechtsverkehr laut Aussage des Arztes kein Problem darstellen sollte. Vorausgesetzt man nutzt Gleitgel. Das macht total Sinn für mich aber ich konnte mir noch gar nicht vorstellen, dass ihr Körper wirklich schon soweit ist. Zu Krass war die Geburt in meiner Erinnerung. Für uns war es definitiv eine nette Info und beruhigend zu hören, dass es an und für sich keine Probleme darstellen sollte. Ich muss allerdings alle enttäuschen, die jetzt denken, ab nachhause und RambaZamba… dem war nicht so!

Schließlich gibt es in meinen Augen Faktoren, die es uns als Erstlingseltern generell schwer machen, Zeit füreinander zu finden:

  • Wir widmen unsere fast komplette und ungeteilte Aufmerksamkeit unserem Baby und machen dies gerne, was wir ja schon durch unserer Haltung und Befürwortung zur bindungssorientierten Erziehung bzw. Attachment Parenting mitgeteilt haben.
  • Unser Bett ist unser Familienbett und der Faktor Kind im Bett ist neu für uns als Paar. Ein Auge und Ohr ist schließlich doch immer beim Baby.
  • Der neue Alltag definiert uns hauptsächlich als Mama und Papa und kostet viel Energie, weshalb man auch nicht selten sehr erschöpft und müde ist.
  • Mein beruflicher Alltag nach der Elternzeit beschäftigt mich nicht selten auch noch nach Feierabend.

Generell sind wir also dabei, in unsere neuen Rollen hineinzuwachsen und unseren neuen Alltag als Familie zu finden. Aus diesem Grunde würde ich gerne Sex nach der Geburt mit folgenden Attributen beschreiben:

[red_box]Neu, Vorsichtig, Fremd, Bedacht, Unsicher und Neugierig.[/red_box]

Wir sind also jetzt Mama und Papa durch und durch. Und genau so lernen wie uns beide jetzt auch “neu” kennen. Und das auch auf sexueller Ebene. Erinnert ihr euch vielleicht noch an die ersten Zärtlichkeiten, die ihr mit einer Person austauscht? So in etwa fühle ich mich und hoffe, dass meine Unsicherheit sich nicht auf Sie überträgt. Wir gingen es also die letzten Wochen langsam an und legen auch mehr und mehr die Scham ab, über dieses Thema miteinander zu kommunizieren. Für mich heißt es weiterhin, das Tempo meiner Frau zu überlassen und sie nicht zu bedrängen. Dass dies der richtige Weg ist, weiß ich, da sie sich dafür schon verbal bedankt hatte, sonst hätte es sie nur zu sehr unter Druck gesetzt.

Wir sind auf jeden Fall den Weg gemeinsam gegangen bis hierher und gehen ihn noch weiter. Langsam sehe ich durchaus auch etwas spannendes darin, sich neu zu entdecken. Nach wie vor mache ich mir natürlich noch viele Gedanken über ihre körperliche Verfassung aber ich bin unendlich dankbar dafür, dass wir beide wissen, dass es uns auch weiterhin als Paar gibt und geben wird!

 

[yellow_box]Anonyme Umfrage zum Thema Sex nach der Geburt[/yellow_box]

Mich würde tatsächlich interessieren, wie eure Erfahrungen zu dem Thema aussehen. Ich habe den allergrößten Respekt für alle, die sich per Kommentar zu dem Thema äußern werden. Wem es aber zu privat ist, der kann gerne “nur” an der anonymen Umfrage teilnehmen. Ich danke euch auf jeden Fall jetzt schon für euer Interesse, eure Ehrlichkeit und euer Engagement.

PS: Ich werde natürlich auch an der Umfrage teilnehmen, nur habt Verständnis dafür, dass ich nicht der erste sein will, sondern mich auch gern mit meiner Stimme unter das anonyme Volk mischen werde, sobald die ersten Votes getätigt wurden.

 

Umfrageergebnis

Umfrageergebnis "Wie kein Sex nach der Geburt?"
Umfrageergebnis “Wie kein Sex nach der Geburt?”

6 Kommentare zu „Sex nach der Geburt: Zweisamkeit trotz Dreisamkeit“

  1. Respekt, dass du so ehrlich schreibst.

    Wir haben es auch so erlebt, dass es ungewohnt ist mit dem Baby ein Bett zu teilen und trotzdem Paar zu sein, aber nach 13 Jahren mit Kindern im Bett lernt man dazu und wird erfinderisch 😉

    Wie lange wir gewartet haben kam tatsächlich auf die Geburt und meine psychische Verfassung an. Zwischen drei und sechs Wochen würde ich jetzt mal so sagen ausser bei dem Kaiserschnitt, da war länger nicht daran zu “denken”. Was bei mir an dem Geburtstrauma und der körperlichen Beschwerden lag.

  2. Eine mutige aber auch schöne Idee, sich an ein solches Thema zu wagen. Selbst unter den besten “Eltern-Freunden” wird eher selten darüber geprochen.

    Für mich war viele Wochen nicht an körperliche Nähe dieser Art zu denken…zu traumatisch die Geburt, zu lange hat es gedauert, bis ich wieder fit wurde und mich hat auch das sehr häufige Stillen sehr ausgelastet. Am Ende waren es auf den Tag genau 6 Monate, das kommuniziere ich auch stets offen, wenn man mich fragt und das war keinen Tag zu früh. Selbst nach diesem Zeitraum, hatte ich am Anfang kurz ein paar Schmerzen (um auch mal so ehrlich zu sein). Da es aber unser Hochzeitstag war und die Sache wieder so neu und aufregend, erinnern wir uns nicht an die lange Abstinenz, sondern an diesen besonderen Abend.

    1. Liebe Sassi,

      vielen Dank für diesen erneuten ehrlichen und sehr persönlichen Beitrag (juhuuuu, wir haben’s wieder geschafft!). Ich kann sehr gut nachvollziehen, was du beschreibst!

      1. Erwischt! Ich erkenn mich gar nicht wieder…:-) Ich lese so viel und es gibt eine Menge an Dingen, die mich unterhalten oder die ich interessant finde. Aber selten berührt mich etwas wirklich so nachhaltig. Liegt vermutlich auch daran, dass ich das Gefühl habe, hier mein letztes Jahr noch einmal nachlesen zu können. Ein bisschen Therapie also. Und eure Art zu schreiben.
        Aber genug der lobenden Worte, ich geh mal den Geburtstagstisch decken. Hier wird jemand morgen EIN JAHR alt. Unfassbar.

  3. Der Artikel ist ja schon ein Weilchen her, aber ich sag auch mal was dazu. Bei uns waren es glaub ich 2 Monate beim ersten Versuch. Aber es ging nicht. Wir haben es immer wieder probiert, es ging auch irgendwie aber nicht so locker wie sonst. Erst nach 11 Monaten hatte ich wirklich keine Schmerzen mehr und erst ab da war alles wieder wie früher.

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