Brief an mich: Wie muss man sich als Mama fühlen?

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Liebe Hanna von vor vier Wochen,

jetzt bist du Mama. Dein kleiner, wunderbarer Junge ist da. Neun Monate hast du ihn im Bauch getragen und dich gefragt, wie das wohl ist, wenn er dann endlich da ist. Erst seit ein paar Tagen ist er jetzt bei euch und du kannst es immer noch nicht ganz glauben. Du bist von der Geburt noch so müde und so kraftlos, dass du dich noch gar nicht so richtig freuen kannst. Zumindest nicht so, wie du dir vorgestellt hattest, dich zu freuen. Nicht so, wie es von dir als glückliche Mama erwartet wird. Nicht so, wie andere Mamas dir den Moment beschrieben haben, wenn dein Baby neugeboren auf deinem Bauch liegt und wie du dich die ersten Tage fühlen wirst als Mama.

Das verunsichert dich sehr. Du stellst dir oft die Frage, ob mit dir irgendetwas nicht stimmt. Was mit dir nicht stimmt. Denn irgendetwas stimmt mit dir nicht. Eigentlich müsste die Welt doch rosig sein und die Liebe zu dem kleinen, neuen Wesen in deinem Arm völlig überwältigend. Immerhin ist er ein Teil von dir und ein Teil von deinem Mann, den du so sehr liebst und bewunderst. An dem Kleinen liegt es nicht, er ist wunderbar. Ein lieber, sanfter und vor allem sehr rücksichtsvoller Junge. Er gibt sich Mühe, das spürst du. Also gibt es für dich nur eine Schlussfolgerung: es liegt an dir. Irgendetwas stimmt mit dir und deinen Gefühlen nicht. Ist das eine Wochenbettdepression? Eine Bindungsstörung, weil die Geburt so schwer und anstrengend war? Immerhin ist dein Mann ja auch beinahe traumatisiert und konnte sich im ersten Moment gar nicht so richtig freuen, weil er sich so gesorgt hat um dich.

Natürlich machst du dir auch große Sorgen, dass dein Baby das spürt. Alles, was du willst, ist ihm Geborgenheit geben in dieser neuen und beängstigenden Welt und das Gefühl, dass er von Anfang an geliebt und gewollt wird. Das wird er ja auch, aber irgendwie ist da innerlich immer dieses “aber”. Dein schlechtes Gewissen plagt dich. Weint er vielleicht, weil er von seiner Mama nicht all das bekommt, was er braucht? Ändert sich das noch? Vielleicht wird es am nächsten Tag besser, denkst du.

Doch glaube mir, auch nachdem ihr zu dritt vom Krankenhaus nach Hause gefahren seid, wird dieses Gefühl bleiben. Erst viel später wirst du all deinen Mut zusammennehmen und mit deinem Mann darüber sprechen. Das hättest du längst tun sollen! Denn wie so oft wird er verständnisvoll und einfühlend sein und dich schluchzende Mama in den Arm nehmen. Das unglaublich liebe Kind wird solange weiterschlafen, immer wieder wirst du es mit tränengefüllten Augen ansehen und dich innerlich entschuldigen. Dein Mann wird dir zum ersten Mal erklären, dass das wahrscheinlich vielen Müttern so geht. Dass nur niemand darüber offen sprechen möchte. Dass du deinen neuen Job toll machst und jeder sehen kann, dass du dein Kind liebst. Dass die Beschreibungen darüber, wie der Moment und die Zeit nach der Geburt sich anfühlen, meist lange Zeit später gemacht werden und dadurch schon überlagert von positiven Gefühlen, die vielleicht ja erst später gewachsen sind. Denn das müssen sie, wachsen. Er wird dir sagen, dass du dir nicht so viel Druck machen sollst und dass alles ganz von selbst kommen wird. Und dann wird es sich richtig anfühlen. Er wird dir sagen, dass der Kleine unglaubliches Glück hat mit einer Mama wie dir und er unglaubliches Glück hat, eine Frau wie dich zu haben.

Du wirst nur die Hälfte von dem glauben, was er sagt. Trotzdem wirst du dich erleichtert fühlen und dich fragen, warum du nicht schon früher darüber gesprochen hast. Weißt du denn nicht aus der Vergangenheit, dass du diesem Mann voll und ganz vertrauen kannst? Dass er dir immer weiter hilft und zuhört, selbst wenn das, was du zu sagen hast, für ihn unangenehm ist? Und hast du in deinen 30 Lebensjahren nicht bereits oft genug erfahren, dass sich negative Gedanken immer mehr aufbauschen, immer größer und einflussreicher werden, je länger du nicht darüber sprichst?

Denn von diesem Morgen an, an dem dein Mann neben seiner weinenden Frau aufwacht, wird alles besser. Du wirst ohne diesen wahnsinnigen inneren Druck deinen Sohn ansehen können und dich jeden Tag ein wenig mehr in ihn verlieben und dich ein wenig mehr freuen können. Je weniger schwach und kraftlos sich dein Körper anfühlt, desto stärker wird sich dieses wunderbare Gefühl des Mamaseins anfühlen. Desto mehr wirst du wissen, dass alles gut ist und du gut für den kleinen Schatz sorgen wirst. Nicht nur äußerlich, sondern auch emotional.

Aber das wirst du ja zum Glück in Kürze selbst erleben.

Alles Liebe,

deine Hanna von heute

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Ich habe lange überlegt, ob und wie ich über dieses Thema schreiben soll. Ob es nicht zu persönlich ist. Letztendlich bin ich aber vielleicht nicht die einzige, die durch die Art, wie Muttergefühle in der Öffentlichkeit dargestellt werden, unter Druck gerät. All denen, die schon ähnliches durchlebt haben, soll dieser Brief zeigen, dass ihr nicht allein seid. Die Blogparade von Jana (hebammenblog.de) hat für mich eine gute Plattform geboten, über das Thema mit etwas Abstand zu schreiben und gab mir weiter die Gelegenheit, mein Geburtstrauma zu verarbeiten.


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16 Kommentare zu „Brief an mich: Wie muss man sich als Mama fühlen?“

  1. Ich weiß, ich hab damals manchmal geweint. Ich kann nicht mal wirklich sagen warum. Der Mann musste arbeiten und ich war mit dem Minihelden alleine zu Hause. Ich war auch froh, dass ich alleine war, also kein ständiger Besuch, keine Familie usw…einfach meine Ruhe haben. Und ich war immer froh, wenn der Mann dann von Arbeit nach Hause kam und fing etwas an zu weinen. Ich vermisste ihn schrecklich und mir fehlte etwas dieses Gefühl von Familie. Wenn er da war, dann war auch dieses Gefühl da. Und dennoch habe ich diese Zweisamkeit mit dem Minihelden sehr genossen…alles seltsam irgendwie…und sicher auch total normal 😉

  2. Danke Sari,

    denn mit deinen Worten gibst du meiner Rede von damals, dass es sicherlich vielen Frisch-Mamis so geht, Zuspruch und Backup.

    Wenn ich mich an diesen Moment zurückerinnere, als die Rubbelmama einfach neben mir lag und geheult hat, weil sie sich selbst dafür hasst, wie sie grade fühlt, war das alles andere als schön. Immerhin hatten wir eine ungefähre Vorstellung von dem, wie wir uns als Familie sehen. Aber nach der schweren Geburt waren wir auf jeden Fall noch ein Stück davon entfernt.

    Ich bin sehr, sehr froh, dass ich derzeit in Elternzeit bin, denn auch ich musste nach der Geburt noch meine Gefühlswelt justieren. Was Hanna nicht in ihrem Brief erwähnt ist, dass ich auch ihr gestehen musste, dass ich nach der Geburt kleine Probleme hatte, den Kleinen sofort in mein Herz zu schließen. Da herrschte einfach noch zuviel Chaos in mir drin. Dann noch die anfängliche Wochenbettzeit, in der ich wirklich alles versucht habe, hinzubekommen, damit es Frau und Kind an nichts fehlt. Oh Gott war ich angespannt und bitchy in der Zeit.

    Reden hat uns auf jeden Fall viel geholfen und ich bin heute wirklich jedes Mal so froh, wenn ich Hanna und Ben miteinander Rumschmusen und Tollen sehe und werde auch nicht müde, dass den beiden zu sagen.

    Mit dieser Erfahrung in meinem Hinterkopf muss ich echt sagen, du bist ne ganz schön taffe Braut Sari, wenn du das alles allein durchgestanden hast, solange dein Mann auf Arbeit war. Ich wüsste nicht, wie ich in dieser Zeit auch noch den Arbeitsstress packen würde.

    LG Rubbelpapa

  3. Die ersten zwei Wochen waren bei mir tatsächlich Heulwochen. Ich erkenne mich zu 1000% in deinem Text wieder. Erst aber der dritten Woche war ich relativ entspannt, wenn es mal wieder eine unerklärliche Weinattacke gab :). Wir sind nicht allein mit unseren Selbstzweifeln. Das zu wissen tut sooo gut. Danke für den tollen Artikel!

  4. Ach, Rubbelmama! Sicherlich wird von den Mamas in unserer Gesellschaft erwartet, dass sie nach der Geburt glücklich zu sein hat. Das ist schon ein enormer Druck, der einem nicht gut tut und wahnsinnig belastet. Gut, dass Du darüber schreibst/sprichst! Viele Mamas versuchen diese Gefühle zu verbergen und fallen dann innerlich wie ein Souffle´ zusammen. Naja, auf die Mama-Rolle wird die Frau auch nicht im Leben richtig vorbereitet. Aber weißt Du was? Vergiß die Werbewelt, Grußkartensprüche, die Bilderbuchfamilien-Saga und den Hang zur Perfektionismus für eine Sekunde. Gib Dir Zeit. Man muss in die Mutterschafts-Rolle hineinwachsen. Nee, es keine Selbstverständlichkeit, dass man nach der Geburt pures Glück empfindet.

  5. Wie emotional geschrieben, da fühlt man beim Lesen sofort mit. Ich finde es toll, dass du deine Gefühle zu dem Thema teilst. Andere Mütter können sich darin garantiert wiederfinden. Ich habe mich auch nicht sofort nach der Geburt gefühlt wie auf einer rosaroten Wolke aus Mutterliebe. Auch zuhause kam das erst nach und nach. Je größer mein Sohn wird, desto inniger wird auch die Beziehung zwischen uns. Ich denke da ist nichts Schlimmes dabei 🙂 Also Kopf hoch, du bist garantiert nicht allein mit deinen Gefühlen 🙂 Und es ist doch einfach etwas unendlich Kostbares, wenn man einen Partner hat, der einen in solchen Zeiten auffängt <3

  6. Woher kommt denn eigentlich diese Vorstellung dass nach der Geburt rosarote Wattewolkenweltsgefühle herrschen? Komisch. Ich hatte nicht so arge Vorstellungen, sondern ging relativ unbedarft und naiv in dieses Geburtsding. Ich war nach der ersten Geburt aber auch verunsichert, wie die Gefühlswelt danach durcheinander gerät. Man fühlt sich als Frischmama wie einmal durch den Fleischwolf gedreht. Körperlich wie emotional. Da hatte ich das Gefühl der Prinzessinnen Papa hat sich viel schneller in die neue Rolle eingefunden als ich. Ich war in der ersten Zeit auch sehr mit mir und der neuen Situation beschäftigt und oft genervt, dass das Baby mich schon wieder braucht.
    Beim zweiten viel mir das alles interessanter Weise viel leichter. Da war diese Liebe und Annehmen der neuen Situation sofort da. Aber eigentlich ist es ja ganz logisch: ich hatte das Mutterseelenallein schon 3 Jahre geübt und war in meine Rolle reingewachsen.
    Und genau das ist es eigentlich: die Mutter-Kind-Bindung muss sich entwickeln. Man muss das Baby und seine Persönlichkeit doch erst kennenlernen. Heraus finden was so ein Minimenschlein braucht und mag. Beim Verlieben in den Partner scheint das schneller zu gehen, und da reicht manchmal auch nur ein Blick und schon kann man viel über die Persönlichkeit in den Augen lesen. Aber ein Baby ist nun mal was ganz anderes, eher ein unbeschriebenes weißes Blatt und zudem noch vollkommen abhängig von uns.

    Gut, dass du das aufgeschrieben hast. Du bist sehen, mit jeder Woche, jedem Monat, jedem Jahr wird die Liebe wachsen zu deinem Kind. Und es wird dich unendlich stolz machen! 🙂

  7. Danke euch allen für die lieben und aufbauenden Kommentare. Wenn ich mich nach dem “Von-der-Seele-Schreiben” schon besser gefühlt habe, habt ihr mich nochmal ein wenig aufgebaut!

  8. Liebe Rubbelmama.

    Wie viele Tränen hab ich geweint, als sich nicht gleich die von mir vor der (22 Stunden langen und dann doch Kaiserschnitt) Geburt erwarteten Gefühle für unsere Tochter eingestellt haben. Als Rabenmutter hab ich mich gefühlt, dass sein Baby nicht genug liebt. An eine Wochenbettdepression habe ich gedacht. Doch nichts davon. Meiner Hebamme hab ich die Ohren voll geheult. Ja, und auch jetzt gibt es manchmal noch Tage, an denen man an sich zweifelt. Aber die Liebe muss wachsen, 10 Monate war der Zwerg in deinem Bauch, nun braucht es auch seine Zeit ihn kennen und verstehen zu lernen. Glaube mir, es wird besser werden. Dein Text hat mich zu Tränen gerührt, weil ich mich genau darin spiegeln kann…
    Liebe Grüße
    Räubermama

  9. Ich habe gerade den Brief gelesen, und fand es sehr beruhigend, daß es nicht nur mir so gegangen ist. Ich bin eine recht alte Mami, die jetzt mit 38 ihr erstes Kind in die Arme schließen durfte. Eine wirklich schwere Geburt war es nicht, aber genäht werden mußte ich, was eine Ewigkeit zu dauern schien. Der Kleine war zwar auf meinem Bauch, aber ich hatte mir das eben anders vorgestellt – daß wir uns in die Augen schauen, wie im Buch eben. Anstelle dessen lag ich da ganz erschöpft und verkrampft, da das Nähen ganz schön pikste, und mit sofort stillen war es dann auch nichts, obwohl ich theoretisch die Möglichkeit dazu bekam. Das holten wir allerdings bald nach.
    So, da war ich also Mama. Es war ein Wunschkind, aber daß wir jetzt nach 12 kinderlosen Jahren Ehe ein Kind hatten erschien so unwirklich. Vielleicht mochte er mich auch gar nicht. Das Gefühl nach der Geburt – das innige Liebesgefühl war jedenfalls auch ausgeblieben. Meine Schwester hatte es mir beschrieben, aber bei mir war das nicht so. Ich mußte mich auch nur langsam an das Mama sein gewöhnen. Ich liebe meinen kleinen Jungen auch jeden Tag mehr, finde es spannend ihn, eine völlig neue Person, kennen lernen zu dürfen und seine Mama sein zu dürfen. Wie im Brief oben habe ich es auch erlebt und verliebe mich in den süßen kleinen Kerl jeden Tag mehr. Mein Mann war mir auch eine große Hilfe, als ich ihm das erzählte, mit dem Ausbleiben des “Oxytocin getriebenen Liebesgefühlrausches”. Er berichtete von einer seiner Lehrerinnen, die eine kleine Tochter zur Welt brachte, aber nicht diese innige Bindung verspürte bis die Tochter drei war und durch die Wiese rannte. Dann hat sie sich richtig in sie verliebt. Manchmal sagt mein Mann, er kann immer noch nicht glauben, daß es sein Sohn ist ( “Versteh das jetzt nicht falsch.”, fügt er dann hinzu. Tu’ ich nicht. Unser Kleiner ist ihm ja wie aus dem Gesicht geschnitten ).

  10. Ach ich kann das so gut nachvollziehen …. Auch mir ging es nach einer sehr langen und schweren Geburt Anfang des Jahres genauso. Mein Mann konnte wegen Magen-Darm-Infekt nicht dabei sein, so dass ich unsere kleineMaus ganz allein in Empfang nehmen musste. Und ich fühltr nichts, nur Erschöpfung… Und viele Tage lang zuhause grübelte ich darüber nach wo denn jetzt die viele Mutterliebe ist, die angeblich da sein soll nach einer Geburt. Auch bei mir stellte sich erst nach vielen vielen Wochen nach und nach eine tiefe und innige Liebe zu unserem kleinen Krümelbaby ein.

    Vielen Dank für die einfühlsamen und offenen Worte!
    Katharina

  11. So erging es mir auch…

    Während der Schwangerschaft war ich mir sicher, dass ich unseren Sohn mit Freudentränen in den Augen zum ersten mal ansehen und in den Armen halten werde… Aber in mir rührte sich kaum etwas, außer eine riesige Erleichterung die Geburt überstanden zu haben.
    Aber die Liebe wuchs Woche für Woche!
    Ein bisschen traurig macht mich das ganze allerdings doch, ich hätte mir einfach mehr Emotionen vorgestellt und auch gewünscht…

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