Schlaftraining: 8 Gründe, warum man auf Schlaflernprogramme verzichten sollte

Schlaftrainer

In den letzten Wochen haben wir uns viel mit Baby’s Schlaf, Schlaftraining und Schlaflernprogrammen beschäftigt und teilweise auch interessante Artikel, die wir gefunden haben, auf facebook geteilt. Einen englischen Beitrag, 8 Punkte gegen Schlaflernprogramme, möchte ich euch übersetzt zur Verfügung stellen, denn ich finde sie durchaus nachvollziehbar:

#1 Schlaftraining ist unfair

Das mag den einen oder anderen aufregen, aber ganz ehrlich, das kümmert mich nicht. Es ist mir egal, wie es verkauft wird. Kleine Babys alleine zu lassen, um in einem dunklen Zimmer alleine zu schreien ist unfair. Punkt.

Kein Baby weint wegen der Tatsäche, dass es jetzt etwas neues lernen muss (alleine einschlafen nämlich), wie es in manchen Büchern heißt. Sie schreien auch definitiv nicht, weil sie kleine, manipulative Teufelchen sind. Sie schreien einzig und allein aus einem Bedürfnis heraus. Das Bedürfnis nach Trost und Liebe und das ist ein echtes Bedürfnis, so echt und gerechtfertigt wie das Bedürfnis nach Nahrung.

Ich spreche nicht davon, dass man ein Baby fünf Minuten meckern lässt, bevor es einschläft – wir alle kennen Babys, die diese 5 Minuten alleine zu brauchen scheinen, um runterzukommen (nicht dass meins das je gebraucht hätte). Ein paar Minuten Meckern ist etwas komplett anderes als ein Baby, das Nacht für Nacht verzweifelt, panisch und einsam schreit. Ein Baby versteht nicht, dass die Mama erschöpft ist und Schlaf braucht – alles was es verspürt ist ein überwältigend großes Gefühl von Angst und Sehnsucht. Wir wissen vielleicht, dass Babys im eigenen Zimmer sicher sind – das heißt noch lange nicht, dass sich auch Babys dieser Sicherheit bewusst sind. Ihr Instinkt sagt ihnen, dass sie allein sind und deshalb in großer Gefahr. Kein geistig gesundes Elternteil trifft Entscheidungen für sein Kind, von denen er nicht absolut überzeugt ist. Ich denke nicht, dass Eltern, die Schlaflernprogramme anwenden von Natur aus grausam sind. Ich behaupte, dass die Programme an sich grausam sind. Hört auf euer Herz, Mütter!

#2 Schlaftraining nützt langfristig gar nichts

Ein Schlaftraining, egal welches, ist immer nur eine kurzfristige Lösung. Sie ‘funktionieren’ bei den meisten Babys – sie schlafen ein paar Nächte lang für längere Zeitspannen alleine. Aber was passiert, wenn ein Baby krank wird oder zahnt? Was passiert, wenn die Familie in Urlaub fährt und die Routine durcheinander kommt? Sie müssen den ganzen abscheulichen, unschönen Prozess wieder von vorne starten. Kinder, die von selbst, in ihrem Tempo und in einer liebevollen, respektvollen Umgebung gesunde Schlafgewohnheiten erlernt haben, werden weniger empfindlich auf Veränderungen im Tagesablauf reagieren. Kinder, die außerdem im Familienbett schlafen, werden in der Regel überall gut schlafen, solange sie ihre Eltern zum kuscheln dabei haben.

Wenn wir uns entscheiden, Eltern zu sein, können wir nicht erwarten, zwischen 19 und 7 Uhr von unseren Pflichten unseren Kindern gegenüber entbunden zu werden.

#3 Schlaftrainer sind gefährlich

Wenn ein Baby weint, schüttet der Körper das Hormon Cortisol aus, damit das Kind mit dem Stress, unter dem es steht, umgehen kann. Die Cortisol-Ausschüttung erzeugt eine Flight-or-fight-Reation (Flucht oder Kampf), die den Körper unter extreme Anspannung setzt. Diesem Zustand wieder und wieder ausgesetzt zu sein schadet dem Kind. Studien deuten darauf hin, dass Kinder, die an ein hohes Level an Cortisol gewohnt sind, später aggressiver sind. Und das macht auch Sinn. Das Gehirn eines Babys wächst permanent und bildet neue Verknüpfungen. Wenn diese Stressreaktion im Gehirn immer wieder stattfindet, gewöhnt es sich an Stress und schlimme Situationen.

Außerdem muss einem klar sein, dass es für Babys normal ist, nicht tief und nur kurze Zeitspannen zu schlafen. Es gibt Meinungen, dass ein Baby, wenn es zu tief schläft, nicht mehr fähig ist, aufzuwachen, wenn es Atemaussetzer hat und dadurch am plötzlichen Kindstod sterben kann. Schlaftrainer bringen ein Baby dazu, lange Zeitspannen durchzuschlafen und das ist nicht natürlich. Lieber findet man andere Wege, mit dem Schlafmangel umzugehen (gemeinsames Schlafen, Mittagsschlaf, früh ins Bett gehen), als das natürliche Verhalten des Babys zu verändern.

Es gibt nicht genug Studien, um zu zeigen, dass Schlaftrainer Kindern schaden. Allerdings gibt es auch nicht genug Studien, um das Gegenteil zu beweisen. Und das ist ein Risiko, das ich nicht eingehen möchte.

#4 Du könntest das Vertrauen deines Kindes verlieren

Unsere Babys verlassen sich auf uns. Immer. Sie sind kleine, hilflose Wesen, die komplett von uns abhängig sind. Das Vertrauen, das sie uns entgegenbringen ist ein wertvolles Geschenk, das wir mit der Geburt des Babys erhalten. Unsere Babys glauben, dass wir bedingungslos für sie da sind – wenn wir uns also weigern, ihnen nachts dieselbe Fürsorge entgegenzubringen wie tagsüber, wo wir auf ihr Schreien reagieren, mit ihnen kuscheln, wenn sie traurig sind und ihnen Nahrung geben, wenn sie hungrig sind, verwirrt sie das. Ich möchte dieses wertvolle Vertrauen, das mit der Geburt beginnt, nicht zerstören!

#5 Schlaftrainer sind gegen die Natur

Es gibt einen Grund warum Schlafen Lernen so schwierig ist. Das Schreien deines Babys ist ein Geräusch, das durch und durch geht. Der Blutdruck erhöht sich und der Puls rast. Das Baby zu trösten ist eine dringende biologische Notwendigkeit. Auf das Schreien ihres Babys zu reagieren macht eine Mutter nicht schwach und führt ganz sicher nicht dazu, dass das Baby verwöhnt wird. Sein Baby trösten zu wollen ist ein natürliches und normales Bedürfnis.

#6 Schlaftrainer wirken sich negativ auf das Stillen aus

Wer sein Kind stillt, der sollte das besonders auch nachts tun. Der Spiegel des Hormons Prolactin ist nachts höher und dieses Hormon ist zuständig für die Milchbildung. Für jüngere Babys (unter 6 Monaten) ist die nächtliche Nahrungsaufnahme unerlässlich für Wachstum, Gesundheit und ausreichende Milchbildung. Mahlzeiten auszulassen oder sogar nächtliches Abstillen, wie Schlaftrainer das vorschlagen, ist besonders bei Babys unter 6 Monaten schädlich für die Stillbeziehung und kann sogar zu einer Entwicklungsverzögerung führen. Wenn man schon nachts abstillen muss, sollte man zumindest warten, bis das Baby 12 Monate alt ist.

Auch wenn das Kind älter ist als 6 Monate und sich schon für feste Nahrung interessiert (und das kann viel länger dauern als 6 Monate), ist das nächtliche Stillen trotzdem sehr wichtig. Babys sind in diesem Alter sehr aktive Wesen – Schau mal Mama, da! Da ist PAPA! Oh, es hat geklingelt! Was macht mein großer Bruder? – daher verbringen sie oft nicht so viel Zeit an der Brust, wie sie eigentlich bräuchten um genug Nahrung zu bekommen. Das holen sie nachts nach. Das nennt sich ‘Reverse Cycling’ und ist in diesem Alter ganz normal. Wenn wir uns weigern, sie nachts zu stillen, enthalten wir ihnen möglicherweise wichtige Nährstoffe vor, selbst wenn sie scheinbar tagsüber häufig trinken. Die Menge der getrunkenen Muttermilch kann nicht gemessen werden, also weiß man nie, ob sie ‘genug’ hatten.

#7 Den Ton für die Zukunft angeben

Würdest du einen musikalischen Auftritt deines Sohnes verpassen oder ein Fußballspiel, nur weil du müde warst und es gerade nicht so gepasst hat? Und würdest du dann versuchen, dir selbst einzureden, dass es nur zu seinem Besten war, weil er auf diese Weise nicht zu abhängig von dir wird? Nein, natürlich würdest du sichergehen, dass du da bist, selbst wenn das bedeutet, dass du Termine und einen wirklich nötigen Mittagsschlaf verschieben musst, weil er enttäuscht wäre, wenn du nicht hingehst. Warum ist es mit nächtlichen elterlichen Pflichten anders?

#8 Schlaftraining schadet der Beziehung zum Kind

Das Band zwischen Mutter und Kind ist etwas ganz Natürliches, aber es muss auch gepflegt werden. Warum sollte man sich den ganzen Tag um sein Kind bemühen, die Verbindung stärken, nur um sie dann nachts bis zum absoluten Limit auszureizen? Wenn das Kind nachts dauerhaft alleine gelassen wird, höhlt das die Beziehung, an der wir so hart arbeiten, aus.

Nach einem langen Tag können wir spüren, wie die Verbindung bröckelt. Ich denke, es ist doch besser, den Tag kuschelnd mit dem Baby im Bett zu beenden (egal, ob man ein Familienbett hat oder es danach in die Wiege legt) und so die Verbindung wieder herzustellen, als dem Baby zuzuhören, wie es  sich selbst in den Schlaf weint.

Original: 8 Reasons to Avoid Sleep Training Your Baby von Alternative Mama, Oktober 2013
Übersetzung: Johanna Bose, April 2016

8 Kommentare zu „Schlaftraining: 8 Gründe, warum man auf Schlaflernprogramme verzichten sollte“

  1. Danke für’s Teilen, ein wunderbarer Text! Wer mehr Schlaf braucht, sollte tatsächlich über ein Familienbett nachdenken und ggf. früher schlafen gehen und nicht das Kind dafür bestrafen, dass es eben ein Kind ist.

  2. Stillen ist sicherlich perfekt, aber bei einer Körpergröße von 1,60 m und 38 kg nach 6 Monaten stillen, ist abstillen Selbstschutz. Da lasse ich mir auch kein schlechtes Gewissen einreden.

    1. Liebe Dorina,

      das klingt in deinem Fall nach einer wirklich nötigen Entscheidung. Ich finde auch nicht, dass eine Mama, die ihr bestes gibt, sich jemals ein schlechtes Gewissen einreden lassen sollte. Du kennst dich, eure Familiensituation und dein Kind am besten und niemand kann pauschal darüber urteilen.

      Alles Liebe für euch,
      Hanna

  3. Wir haben geferbert.
    Nicht gerne. Mein Großer war 2 und wurde noch gestillt, kam dann aber alle 2h. Weil er nur so wieder einschlief. Ich war wieder schwanger und ging auf dem Zahnfleisch. Ich fuhr notwendige Wege mit dem Auto, ohne hinterher zu wissen, wo ich lang gefahren war. Einem Erwachsenen reichen 2h am Stück einfach nicht. Egal wann er schlafen geht! Es war einfach nicht mehr machbar.
    Nach 4 Tagen und immer wieder ruhigen, festen Erklaerungen schlief er alleine ein und meistens durch. Heute mit 8 begleiten wir ihn gerne beim Einschlafen, er darf auch gerne zu uns kommen, wenn er schlecht geträumt hat.
    Diese absoluten Regeln passen einfach nicht immer. Ich habe 2 sehr unterschiedliche Kinder und bin mittlerweile sehr vorsichtig geworden mit Aussagen wie ‚niemals würde ich…‘keiner steckt in der Haut des anderen.

    1. Hallo liebe 2-fach Mama,

      da gebe ich dir absolut Recht. Der Text ist aus dem Englischen übersetzt und spiegelt nur zu 99% meine Meinung wieder 😉

      Ich denke auch, dass es Situationen gibt, in denen ein Schlaftraining vielleicht noch die bessere Wahl ist. Nämlich dann, wenn die Alternative noch schrecklicher ist. Jedes Kind braucht seine Mama und niemand in Deiner Familie hätte etwas davon gehabt, wenn Dir etwas zugestoßen wäre oder dem zweiten Baby.

      Manchmal sind Menschen mit extremem Schlafmangel auch nicht mehr sie selbst, werden vielleicht aggressiv oder depressiv. Auch dann würde ich jeder Mutter zustimmen, die ein Schlaftraining mit ihrem Kind macht – NACHDEM sie alle anderen Optionen ausprobiert hat. Alleine schlafen und das Kind beim Papa lassen zum Beispiel. Das habe ich gemacht in den Phasen, in denen ich gar nicht mehr konnte.

      Ansonsten können Kinder viel wegstecken (s. Artikel zur Resilienz) und lieber hat ein Kind ein ansonsten stabiles Umfeld und musst einmal diese Prozedur über sich ergehen lassen. Wir können als Eltern eben nicht immer alles perfekt machen, aber wir geben unser bestes. Die meisten zumindest. Jeden Tag.

      Liebe Grüße und alles Gute für euch,
      Hanna

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