10 Dinge, die ich im Ausland gelernt habe

Am Sonntag war es endlich so weit: Nach neun Monaten sahen wir meinen Bruder, den Patenonkel unseres Sohnes, wieder. 10 Tage später dann meine Eltern. Die Tage, in denen es nur uns drei gibt, sind also für’s erste wieder gezählt. Jetzt ist wieder “Großfamilie” angesagt und ich freue mich ehrlich gesagt riesig darüber.

Heute will ich das letzte Jahr und unsere Zeit als Kleinfamilie im Ausland mal Revue passieren lassen und zusammenfassen, wie mich diese Zeit verändert hat. Was ich gelernt habe, über mich und die Welt.

10 Dinge, die ich in Südostasien gelernt habe

  1. Unter dem europäischen Lebensstandard zu leben, ist schwierig.
  2. Wir brauchen viel weniger Dinge, als wir denken.
  3. Vegan könnte so einfach sein.
  4. Es gibt Orte, an denen es sich leichter leben lässt, als in Deutschland.
  5. Deutschland ist kinderfeindlich.
  6. Zuhause bleibt Zuhause.
  7. Kleinkinder sind so flexibel.
  8. Freiheit ist unbezahlbar.
  9. Sicherheit ist trügerisch und hält uns vom Leben ab.
  10. Der Moment zählt.

Unser Lebensstandard

Ich dachte irgendwie, es würde mir einfacher fallen. Mich an das “einfache Leben” anzupassen. Viele Dinge waren auch nicht schwer. Ich kann auf Luxusgüter wie einen Föhn, Kosmetika oder eine hochwertige Küchenausstattung ohne Probleme verzichten.

Aber eins war für mich so viel schlimmer als gedacht: Sauberkeitsstandards. Damit meine ich nicht Hygiene im Sinne von blitzeblank und keimfrei. Sondern die Sauberkeit in meinem umittelbaren Wohnumfeld. Für mich war es wahnsinnig schwer, in einem Hotelzimmer oder einer Wohnung zu sein, die nicht richtig sauber war. Sei es, weil nicht richtig geputzt wurde oder sei es, weil so viele Ecken einfach schon zu alt sind, um je wieder richtig sauber zu sein.

Auch Matratzen waren immer wieder ein Thema. Viele waren sehr alt und staubig, rochen unangenehm oder schimmelten vermutlich sogar. Immer noch Luxus im Vergleich zu dem, was die Einheimischen haben. Aber das Gefühl, in einem sauberen, wirklich sauberen Bett zu liegen ist für mich ein unverzichtbarer Bestandteil vom Gefühl, zuhause zu sein.

Und dann wäre da noch das Thema Küche. Wer noch nie eine indonesische oder thailändische Küche gesehen hat, dem werde ich es kurz erklären: Es gibt in diesen Küchen niemals warmes Wasser. Grundsätzlich nicht. Viele der Küchen sind draußen und keine Einbauküchen, wie wir sie kennen, sondern zusammengewürfelt aus was auch immer man so findet. Der Spülschwamm wird mit Spülmittel getränkt und dann lange benutzt. Sehr lange. Oft, bis er zerfällt. Wenn er gerade nicht benutzt wird, dann wird er so, wie er ist, in ein Schälchen gelegt. Ob die Schwämme jemals gründlich ausgewaschen werden, weiß ich nicht. Ich bezweifle es aber.

Nun waren wir in einer unserer Unterkünfte auf Bali, in der eine Küche als vorhanden angegeben wurde. Tatsächlich teilten wir uns diese Küche mit unseren Gastgebern, einem wirklich wundervollen und liebenswürdigen indonesischen Paar. An sich kein Problem. Dachte ich.

Im Nachhinein bewundere ich mich selbst dafür, wie ich jeden Tag das Frühstück, das die beiden liebevoll für uns zubereiteten, essen konnte. Wie ich Kaffee aus den Tassen trank und einfach versuchte, nicht darüber nachzudenken. Denn die Küche selbst konnte ich kaum betreten. Nichts war richtig sauber, in meinen Augen. Einmal versuchte ich, höflichkeitshalber unseren Abwasch selbst zu machen. Ich musste danach mehrmals meine Hände gründlich mit Seife waschen, weil der Spülschwamm so roch.

Ich habe also gelernt: Vor allem in Sachen Sauberkeit ist es für mich schwerer als gedacht, unter unserem bisherigen, europäischen Lebensstandard zu leben.

Minimalismus works

Vielleicht erinnerst Du Dich an das Gepäck, mit dem wir Deutschland verlassen haben? Ein großer 100-Liter Wanderrucksack, ein großer Handgepäcksrucksack und ein kleiner Rucksack. Das erschien selbst uns wirklich wenig, der große Rucksack wog keine 30 kg. Tatsächlich stellte sich unterwegs schnell heraus, dass wir sogar noch zu viel gepackt hatten. So ließen wir nach und nach weitere Dinge zurück. Auf unserem Flug von Bali nach Phuket wog der große Rucksack keine 20 kg mehr.

Vegane Ernährung

Eine Freundin hat mal gewitzelt, dass man in Ubud zwangsläufig schnell zum Veganer wird. Ganz so weit hat es für mich nicht gereicht, aber nach ein paar Monaten habe ich aufgehört, Fleisch zu essen. In Deutschland habe ich mich über Veganer immer gewundert. Zum Einen finde ich, dass sie ihre Mentalität sehr aggressiv und teilweise vorwurfsvoll propagieren. Zum anderen habe ich mich immer gefragt, warum man fleischlose Currywurst oder Rührei ohne Ei macht. Das schmeckt doch eh nie, wie das “Original” und wenn man die Currywurst so vermisst, macht es dann wirklich Sinn, darauf zu verzichten?

Dann lernte ich die veganen Restaurants und Cafés in Ubud kennen. Und ganz ehrlich, so viel Abwechslung und Geschmack habe ich noch nirgends sonst erlebt. Und das alles völlig ohne tierische Produkte. Nachdem ich das erste Mal ein veganes Omlette gegessen hatte, war mir alles klar. Das war wirklich das beste Omlette, das ich in meinem Leben gegessen habe. Es schmeckte nicht wie Ei, aber so himmlich gut!!!

Wenn das Angebot stimmt, wäre es glaube ich für jeden von uns ganz einfach, vegetarisch oder sogar vegan zu leben.

Wunderbare Orte

Egal, wohin auf der Welt ich gehe, ich bleibe immer dieselbe. Und damit auch meine Probleme, richtig?

Theoretisch, ja. Aber tatsächlich war mein Leben lange nicht mehr so leicht und unbeschwert wie in Ubud. Ich konnte dort einfach ich selbst sein, ohne viel Druck und Sorgen. Wir verlebten unbeschwerte Tage mit unserem wundervollen Kleinkind und ich freute mich jeden Tag, aufzustehen. Es scheint sie also doch zu geben, diese Orte, an denen einfach alles besser ist.

Kinderfreundlichkeit

Auch in Sachen Kinder in der Öffentlichkeit habe ich viel gelernt auf Bali. Denn hier sind Kinder ganz selbstverständlich. Und zwar nicht nur die “braven” Kinder, die sich an die Spielregeln der Erwachsenen halten, sondern Kinder im Allgemeinen. Unser kleiner Wildling wurde dort als “strong” und “brave” bewundert und schien alles andere als ein Störfaktor zu sein.

Das kenne ich aus Deutschland leider anders. Und ich weiß jetzt, es ist nicht der Mensch an sich, der missmutig und verständnislos gegenüber Kindern ist. Kinderfeindlichkeit ist auch und vor allem kulturabhängig. Und Deutschland ist eine kinderfeindliche Kultur.

Zuhause

Und trotzdem bleibt Deutschland mein Zuhause. Ich möchte nicht, und das weiß ich jetzt sicher, für immer auswandern. Denn egal, wie leicht das Leben irgendwo auf der Welt ist, es ist doch nur halb so schön ohne meine Familie und Freunde. Es gibt einfach Menschen, die kann man nicht ersetzen. Meine Familie sowieso, aber auch Freunde, die mich schon ein Leben lang begleiten und die ich einfach vermisse, wenn ich so lange weg bin.

Egal, wie weit mich meine Flügel tragen, meine Wurzeln, das sehe ich nun ganz deutlich, sind in Bayern. Dort, wo ich aufgewachsen bin. In den Seen, Wäldern und Gärten rund um mein Elternhaus. In den glücklichen Erinnerungen und den liebenden Menschen dort.

Reisen mit Kleinkind ist kein Problem

Vor unserer Abreise war ich unsicher, wie das für unseren damals noch nicht ganz 3-jährigen sein würde. Wie würde er mit der Veränderung zurecht kommen, wie lange würde er brauchen, um sich an eine neue Wohnung zu gewöhnen?

Die Wahrheit hat mich überrascht. Er ist so viel flexibler als wir!

Solange Mama und Papa da sind und sich wohl fühlen, tut er das auch. Es dauert nicht lange, bis er ein neues Hotelzimmer oder eine neue Wohnung “Zuhause” nennt. Er findet überall seine Besonderheiten, seine Highlights im Alltag. Mal ist es ein Mädchen auf dem Weg zum Strand, mal ein bestimmtes Café oder die Steine vor dem Haus, mit denen er ununterbrochen und vertieft spielt.

Obwohl er niemals seine Großeltern und sein Zuhause dort vergessen hat, waren die vielen Veränderungen für ihn kein Problem. Er hat alles mit großer Freude und Neugier aufgenommen. Ich würde sagen, er ist ein richtiges Reisekind.

Freiheit

Wir haben unheimliches Glück, das weiß ich. In Kombination mit viel Mut und Zielstrebigkeit haben wir es geschafft, ein ortsunabhängiges Leben zu verwirklichen. Wir haben die Freiheit, überall zu leben. Das bedeutet, wir können jederzeit auch zurück nach Bayern, zu meinen Eltern. Von dort funktioniert das ortsunabhängige Arbeiten genauso gut wie von Südostasien oder sonst wo auf der Welt.

Und nicht nur das. Den allergrößten Teil unseres Lebensunterhalts, so war das auch geplant, bestreiten mittlerweile sogenannte passive Einnahmen. Das heißt, die laufen weiter, auch wenn wir mal nicht arbeiten. Unsere Arbeitszeiten sind deshalb absolut flexibel an unsere Lebenssituation, Gesundheit und Laune anzupassen.

Das ist eine Freiheit, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Ich muss nicht zurück in irgendein Büro, keine Bewerbungen schreiben, für niemanden arbeiten. Im Prinzip fühlt es sich an, als würde ich gar nicht arbeiten, sondern den ganzen Tag “rumhängen”. Denn mein “Job” ist auch mein größtes Hobby.

Sicherheit ist trügerisch

Die meisten Menschen fühlen sich in Deutschland sehr sicher. Bei Fernreisen denken viele an die Gefahren durch Krankheiten, mangelnde Hygienestandards, Kriminalitätsrate oder sonst was. Manche denken, wir setzen uns und unser(e) Kind(er) einem hohen Risiko aus durch den Aufenthalt in Südostasien.

Für mich ist die Wahrheit eine andere. Die Sicherheit in Deutschland ist trügerisch. Denn wie sicher ist mein Kind dort tatsächlich? Kann er nicht genauso von einem Auto erfasst werden, von einer Zecke mit Meningitis infiziert werden oder irgendetwas schrecklichem wie Krebs oder Autoimmunkrankheiten zum Opfer fallen? Es gibt überall auf der Welt ein gewisses Restrisiko, das ich nur vermeiden kann, indem ich schon tot bin. Ja, hier ist das Restrisiko vielleicht geringfügig höher, aber offensichtlich nicht so hoch, dass nicht Millionen gesunder Menschen trotzdem hier leben.

Durch all die vermeintliche Sicherheit, die Altersvorsorge, die Zukunftspläne, die mit einem Leben in Deutschland verbunden sind, vergisst man schnell das wichtigste: Das Leben.

Leben für das heute

Ja, ein wenig Planung muss sein im Leben. Wir müssen auch arbeiten, um zu leben. Aber wir leben doch nicht, um zu arbeiten! Wir haben, im Gegensatz zu vielen Generationen vor uns, den gewaltigen Luxus, uns nicht wie irre abrackern zu müssen und trotzdem genug zu haben. Sogar Sicherheit.

Unterwegs habe ich gelernt, nicht für morgen zu leben. Naja, vielleicht für morgen noch, aber nicht für nächstes Jahr. Nicht für meine Rente. Unser Leben ist jetzt und wenn wir etwas schönes erleben wollen – und die Möglichkeit dazu haben – sollten wir das nicht verschieben. Vor allem nicht mit Kindern!


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1 Kommentar zu „10 Dinge, die ich im Ausland gelernt habe“

  1. Du sagst es: Unser Leben ist jetzt und wenn wir etwas schönes erleben wollen – und die Möglichkeit dazu haben – sollten wir das nicht verschieben. Das sehe ich auch so. Denn wenn ich mich jetzt mit Rente und Co verrückt mache und vergesse zu leben kann mir das keiner wieder geben. Ich sehe es bei meinem Opa. Er hat eine angenehme Rente und könnte theoretisch verreisen usw. Aber gesundheitlich geht es eben nicht mehr. Umso wichtiger im hier und jetzt zu leben. Es zu genießen. Ich ziehe trotzdem meinen Hut vor euch mit der Zeit im Ausland und finde deinen Beitrag sehr informativ. Andere Länder andere Sitten. Vielleicht sollten wir uns manches wirklich abkucken.

    Liebe Grüße, Dany
    https://www.danyalacarte.de

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