„Wie geht es dir?“

„Wie geht es dir?“ fragt eine Freundin, die ich nicht so häufig sehe, mich per Messenger. Wie es mir geht? So eine kleine, unauffällige Frage, nicht wahr? Sie wird häufig gestellt. Und doch, wenn man versucht, sie zu beantworten – also, wirklich zu beantworten –  eine der schwierigsten und komplexesten Fragen, die ich kenne. Oft weiche ich dann aus und erzähle, wie es den Kindern geht. Aus Zeitgründen oder weil ich unsicher bin, wie detailliert oder auf welchen der vielen Teilbereiche in meinem Leben die Frage eigentlich abzielt. Oder ob überhaupt eine echte Antwort erwartet wird. Doch diesmal zögere ich nicht. Ich schicke eine Sprachnachricht zurück die beginnt mit „Mir geht es gut. Also richtig gut…“

Es geht mir gut

Zum ersten Mal seit langem regt sich bei dieser Aussage kein leises „aber“, kein einschränkendes „wenn nicht“. Es geht mir gut. Meinem Körper geht es so gut wie lange nicht, aber auch meiner Seele. Es hat lange gedauert, war gefühlt ein weiter Weg, aber ich bin angekommen. In unserem Leben in Bayern. Auf dem Land. In unserem Haus. 

Ich kann mir vorstellen, hier die nächsten 20 Jahre zufrieden zu verbringen und meine Kinder aufwachsen zu sehen. Mir neue Fähigkeiten im, am und ums Haus anzueignen. Alles so einzurichten und zu gestalten, wie wir es gerne hätten. Wie es für uns passt. 

Der Garten

Und gleichzeitig mit diesem inneren Prozess ist bei mir auch das Interesse für den Garten gekeimt. Plötzlich kann ich Stunden draußen verbringen mit Gießen, Umtopfen, Hochbeete anlegen, Hecken oder Bäume pflanzen oder Pflastersteine legen. Letztens war ich mit meinem Jüngsten beim Verkaufsoffenen Sonntag – und kam mit einem Apfelbaum zurück. War im Sonderangebot.

Dabei war das bisher das Hoheitsgebiet meiner Mama und ich war damit auch sehr zufrieden. Sie liebt es, im Frühjahr den Garten umzugraben und neu anzulegen. Auszusähen, zu pflanzen und zu pflegen. Meine Aufgabe war es bisher nur, die Dinge rechtzeitig zu ernten und zu verwerten. Eigentlich ein ziemlich guter Deal, wie ich finde. Und daran wird sich auch nichts ändern. Meine Mama bewirtschaftet weiterhin das Gewächshaus und ihre drei Gärten.

Aber das Grundstück ist so viel größer als das. So bin ich gerade dabei, ein Stück Wiese mit Hochbeeten, Himbeerhecke und Erdbeeren anzulegen. Denn Erdbeeren und Himbeeren kann man nie genug haben, oder? 

Ich liebe alles an Pflanzen, was man Essen kann oder was einen Zweck erfüllt. Einfache Rosen oder Blumen, die nur schön blühen, kann ich bisher nichts abgewinnen. Wenn ich etwas blühendes pflanze, muss man es entweder essen können, oder es muss bienenfreundlich sein. Bienenfreundliche Stauden zum Beispiel, davon gibt es online genügend, ich muss noch nicht mal in den Gartenmarkt. Auch alles andere kann man mittlerweile online bestellen und so verbringe ich abends manchmal wirklich viel Zeit damit, vor dem Smartphone vom Garten zu träumen. Aber auch im Gartenmarkt kann ich mich plötzlich so lange aufhalten wie früher im H&M. 

Das Haus

Unser Haus ist aus den 60ern. Seitdem wurde es von meinen Eltern stetig renoviert und saniert, aber trotzdem sind einige Räume oder Ecken einfach alt. Unser Hauptbad im 1. Stock zum Beispiel ist seit meiner frühen Kindheit unverändert und braucht dringend einen neuen Look. Der eine oder andere Boden muss erneuert werden. Irgendwann auch die Küche. Wenn die Kinder größer sind. 

Es ist also genug zu tun, aber wir haben ja auch noch Zeit. Weil das Haus insgesamt mehrere hundert Quadratmeter Wohnfläche hat, haben wir es in den letzten Jahren erfolgreich in verschiedene Einheiten aufgespalten. Im frisch renovierten Dachgeschoss mit neuem Dachstuhl wohnt mein Papa. Er kann durch unser Treppenhaus oder über eine Außentreppe nach oben. Die Einliegerwohnung haben wir durch eine Schallschutztür mit zwei Flügeln von unserem Hausflur getrennt. Sie dient als Airbnb- bzw. Gästewohnung für Familie und Freunde.

Im Sommer vermieten wir die Einliegerwohnung gezielt an Familien mit kleinen Kindern, die hier in der Gegend Urlaub machen wollen. Weil wir selbst wissen, wie anstrengend es mit Kindern sein kann in Airbnb-Wohnungen, in denen alles blitzeblank und kahl ist. Bei uns gibt es stattdessen vom Hochstuhl über Rausfallschutz / Reisebett bis hin zum Spielzeug alles, was das Babyherz begehrt. Auch draußen ist mit Sandkasten, Schaukel, Rutsche, Fahrzeugen und viel Platz der perfekte Ort für Kinder. Für uns hat das Ganze auch einen großen Vorteil (abgesehen vom Nebenverdienst): Wir lernen auf diesem Weg viele liebe Menschen kennen, ohne überhaupt das Haus verlassen zu müssen! Denn mit den allermeisten Gästen sind wir total gerne in Kontakt und finden es echt interessant, was sie zu erzählen haben. Und Kinder mag ich sowieso immer. 

Das Tüpfelchen auf dem i

Meistens gibt es für uns darum gar keinen Grund, unser Zuhause großartig zu verlassen. Irgendwo hinzufahren in den Ferien. Denn gefühlt haben die Kinder eh so viel zu tun hier und viel zu wenig Zeit, sich mal ausgiebig zu langweilen (und Langeweile finde ich ultra wichtig für Kinder!). Und für uns Eltern ist es hier unbezahlbar einfach, wir haben immer alles da an Essen und Wechselkleidung und jeder kann seinen Hobbies und Bedürfnissen nachgehen. 

Trotzdem würde ich gerne manchmal raus. Nur ein oder zwei Tage, ein kleines Abenteuer mit den Jungs erleben oder mal eine Wandertour machen. Der Mann dagegen will lieber Fahrrad fahren, wenn das Wetter schön ist. Dafür haben wir in der Theorie auch schon die perfekte Lösung: ein Camper. Ein autarker Kastenwagen mit 4 Schlaf- und Sitzplätzen. Dann darf er Radfahren und wir übernachten irgendwo unterwegs. Das perfekte Fahrzeug hätte ich auch schon gefunden – leider hat es nicht den perfekten Preis. 42.000€ sind halt echt ne Hausnummer. 

Also warten wir noch ein wenig. Und träumen. 

In der Zwischenzeit findet man mich im Garten. 

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