Der Mythos von der Schließmuskelkontrolle: Trocken werden

Trocken werden

Nachdem dieser Zustand nun schon viele, viele Wochen anhält, wage ich zu behaupten: Unser Sohn ist sauber und trocken. “Trocken werden” ist ja bekanntlich ein ganz sensibles Thema und ich habe dazu eine ganz eigene Meinung.

Der Mythos von der Schließmuskelkontrolle

Die Theorie

Überall hört und liest man davon: Kinder sind erst ab einem gewissen Alter überhaupt in der Lage, ihren Schließmuskel zu fühlen und zu kontrollieren.

Bevor Sie mit dem Töpfchentraining beginnen, sollten bei Ihrem Kind mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Es sollte körperlich und geistig so weit sein, dass sein Gehirn fähig ist, die Signale von Blase und Darm zu verstehen und darauf zu reagieren. Meist ist das zwischen dem 18. und 36. Monat der Fall.Cross, Claire: So wird Ihr Kind sauber. Windelfrei ohne Stress (*)

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Welchen biologischen Sinn sollte es haben, dass es vor dem 18. Monat keine Synapsen zur Verknüpfung von Blase / Darm und Gehirn gibt? Ja, natürlich weiß ein Baby mit diesen Reizen noch nicht viel anzufangen und kann nicht adäquat reagieren, indem es zur Toilette geht. Aber deshalb gleich ganz abzustreiten, dass es Balsendruck oder Tätigkeiten des Darms wahrnehmen kann? Das wäre so, als würde man behaupten, Babys können keine Angst empfinden. Nein, natürlich können sie diese nicht differenziert äußern oder reagieren, indem sie weglaufen oder sich verstecken. Aber trotzdem haben sie vor manchen Situationen Angst und wenn wir als Eltern genau hinhören und aufmerksam sind, wissen wir das auch.

Die Praxis

Schritt 1: Kacka gehört ins Töpfchen

Wie sollten denn Eltern in anderen Teilen der Welt, wo es keine Windeln gibt, das schaffen? Wie haben wir Europäer das früher gemacht, bevor es bei uns Windeln gab? Denn tatsächlich gibt es die Idee, die Ausscheidungen des Kindes mit Stoff (oder später Plastik) am Körper des Kindes zu halten, noch nicht sehr lange. Die Antwort auf die “Was war vorher”-Frage lautet windelfrei. Nach entsprechender Lektüre leuchtete mir die Theorie völlig ein und wir versuchten es mit unserem 6 Wochen alten Baby. Zugegeben, mit dem Pipi klappte es sehr selten. Das große Geschäft dagegen ging von Anfang an sehr gut. Bis er 6 Monate alt war, landete kaum mehr etwas in der Windel. Danach trat er einen mehrmonatigen Abhalte-Streik an. Doch mit etwa 11 Monaten fing ich an, ihn auf’s Töpfen zu setzen und später auf den Toilettenaufsatz. Das fand er gut. Teilweise so gut, dass er gar nicht mehr herunter wollte. Sobald er einigermaßen sprechen konnte, fing er an, dieses Bedürfnis auch zu kommunizieren. Zunächst nur mir gegenüber, das heißt in der Kita ging doch ab und an etwas in die Windel. Und auch fast nur das große Geschäft.

Schritt 2: Pipi gehört nicht in die Hose

Im Sommer auf dem Land dann fing er an, immer häufiger auch Bescheid zu geben, wenn er pinkeln musste. Vorzugsweise war er draußen nackt und konnte so steuern, wohin das Pipi ging. Oder wir zogen ihm sehr elastische Jogging-Hosen an, die er schnell selbst nach unten ziehen konnte. Trotzdem gab es immer mal Unfälle und er hatte im Haus oft eine Windel an. Irgendwann fiel mir auf, dass er eigentlich nur noch in die Windel pullerte. Nie in die Hose. Mein Verdacht: Er merkte, wann er die Windel anhatte und wusste, dass es okay ist, da hineinzupinkeln.

Schritt 3: Pipi ankündigen

Als wir unsere erste große Tour mit dem Auto nach Österreich, München und Regensburg antraten, war ich dann einfach mutig: Wir ließen die Windeln weg. Der Autositz war ohnehin aus Hartplastik mit waschbarem Bezug und zur Sicherheit hatten wir natürlich welche bei. Der Mann war skeptisch. Doch tatsächlich ging die gesamte Reise über am Tag nicht ein Tropfen in die Hose.

Schritt 4: Nachts trocken werden

Nun blieben nur noch die Nächte. Da war die Windel phasenweise komplett trocken, dann wieder sehr nass. Irgendwann traute ich mich trotzdem, sie wegzulassen – und hatte ein nasses Bett. Doch seit der kleine Lord sich entschieden hat, im eigenen Bett zu schlafen, war die Windel ausschließlich trocken. Über mehrere Wochen. Irgendwann weigerte er sich auch, die Windel nachts anzuziehen. Seitdem ist er auch nachts trocken.

Wie es kam, dass unser Familienbett-Kind jetzt im eigenen Bett schläft, kannst Du hier nachlesen.

Kein Töpfchentraining

Alles in allem würde ich sagen, unsere Erfahrung deckt sich mit der Windelfrei-Theorie. Auch, wenn es nicht so reibungslos funktioniert hat, wie im Buch. Natürlich ist es mit etwas über 2 Jahren nicht ungewöhnlich, trocken zu sein. Schon “ungewöhnlich” ist es allerdings, dass der kleine Mann offensichtlich von Anfang an Kontrolle über seinen Schließmuskel hatte und sein großes Geschäft nur dann gemacht hat, wenn er abgehalten wurde oder auf dem Töpfchen war.

Mit Töpfchentraining hat das allerdings meiner Meinung nach wenig zu tun. Wir haben ihm lediglich die Möglichkeit gegeben, an einem anderen Ort als der Windel auszuscheiden. Wenn er das nicht wollte, haben wir das immer akzeptiert und nicht als negativ bewertet oder verbal irgendeine Enttäuschung kundgetan. Er konnte immer entscheiden, wo er ausscheiden möchte.

Das Ende dieses Prozesses ging für uns wie von selbst. Wir boten ihm immer neue Schritte an, die er entweder annahm, oder eben nicht. So war das Sauber werden und Trocken werden weder für ihn, noch für uns mit irgendeinem Stress verbunden.

Ich rechne auch damit, dass es in Zukunft – vor allem nachts – immer wieder Rückschritte geben wird. Das ist okay und ich bin trotzdem verdammt stolz auf den kleinen Mann.


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