Nachhause fliegen

Ursprünglich hatte unsere Reise, unser Leben im Ausland, kein Enddatum. Kein richtiges zumindest. Wir wollten vielleicht im Spätsommer meine Familie besuchen und dann wieder weiter – doch es kam alles anders. Ich wurde schwanger. Also planten wir, im Februar oder März nach Hause zu fliegen. Buchten schließlich für Anfang Februar Flüge – und heute noch einmal neue Flüge.

Warum wir uns so spontan entschieden haben, drei Wochen früher als geplant nach Deutschland zurück zu fliegen? Lies selbst.

Die letzten Monate in Thailand

Bali war ein Traum. Vor allem Ubud. Das Leben war so leicht und unbeschwert. Wir fühlten uns frei und ich freute mich jeden Morgen auf den neuen Tag mit meinen Liebsten. So, wie ich mir unseren Auslandsaufenthalt eben vorgestellt hatte. Einige Stunden am Tag arbeiten, einige mit meinem Kind verbringen und die Abende zu dritt. Wir hatten Freunde, kannten unsere Nachbarn und tausend Möglichkeiten, was wir unternehmen wollten.

Als ich begann, mir ein Kind zu wünschen, schien eine Schwangerschaft darum nicht problematisch. Wo sonst auf der Welt sollte es so entspannt sein? Dass wir in unserem nächsten Reiseziel, Thailand, nicht annähernd solche Bedingungen vorfinden würden, hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Immerhin schwärmen doch (fast) alle Menschen, die ich kenne von Thailand.

Doch egal, wohin wir reisten, ob Touristenregion Phuket, Aussteigerinsel Koh Phangan oder Stadtleben in Bangkok / Pattaya, ich fand es furchtbar. Keine Spur von Entschleunigung oder Kinderfreundlichkeit. Stattdessen war es laut, schnell und ungesund. Und alles voller Fleisch. Hinzu kam meine starke Schwangerschaftsübelkeit. Ich war eigentlich fast die ganzen 3 Monate in Thailand außer Gefecht gesetzt – und dem Mann blieb es zwei Monate lang allein überlassen, sich um unser Kind (und mich!) zu kümmern.

Kein schönes Gefühl, als Mutter so gar nichts tun zu können. Und dann noch zu wissen, dass es wirklich schwierig ist, unseren kleinen, aktiven Menschen irgendwie kindgerecht zu beschäftigen. Ihn einigermaßen gesund zu ernähren, ihm genug Bewegung zu verschaffen und gleichzeitig bei all der Belastung irgendwie ausgeglichen und liebevoll zu bleiben. Ich konnte sehen, wie das meinen Mann an seine Grenzen bringt. Verständlicherweise.

Die drei Wochen mit meiner Familie waren natürlich besser – genießen konnte ich persönlich sie trotzdem nicht durchgehend. Immer wieder holten mich Übelkeit und Erschöpfung ein. Und dann war da noch alles, was sich außerhalb unserer Wohnung befand – und mir so gar nicht gefiel. Der Lärm. Der Dreck. Die Gerüche. Die Feinstaubbelastung. Schneller Verkehr.

Und Malaysia?

Wir hielten uns an der Hoffnung fest, dass es in Malaysia schöner ist. Und flogen letzte Woche nach Kuala Lumpur. Zugegeben, hier ist es so viel besser. Die Stadt riecht nicht so unangenehm und es gibt gesundes, vegetarisches Essen – in den Restaurants, wie auch im Supermarkt. Es gibt viele Parks und Spielplätze und auch unser Condo (Hochhaus mit 40 Stockwerken) hat einen wunderschönen Innenhof mit Pool, Spielplatz, Fitnessgeräten usw.

Die Stadt wäre also wirklich gut, um zu dritt noch ein paar Wochen zu genießen. Wären da nicht ein paar Aber.

Schwangerschaftskomplikationen

An unserem zweiten Tag hier hatte ich leichte Blutungen und wir gingen ins Krankenhaus. Anordnung des Arztes: Absolute Bettruhe, bis es drei Tage lang nicht mehr blutet. Am dritten Tag fing es nachmittags wieder an und wir suchten einen anderen Arzt auf. Seine Diagnose: Sehr tief liegende Plazenta. Ich darf mich bewegen, auch fliegen usw.

Eine echte Erleichterung. Trotzdem werde ich schnell müde und der Schreck sitzt bei uns natürlich tief. Ich bewege mich also hauptsächlich im engen Radius um das Gebäude und immer nur wenige Stunden am Stück.

In diesen Tagen des Liegens und des Ungewissen hat sich in mir einiges getan. Ich hatte große Angst, nicht nach Hause zu kommen, also nicht mit Baby im Bauch. Habe mir die Frage gestellt, was wohl mit meinem Baby passieren würde, wenn ich hier in Malaysia eine Fehlgeburt hätte. Und ich habe mir so sehr gewünscht, einfach schon zu Hause zu sein. Bei meinen Eltern. In einem Land, in dem ich die Kultur, Gesetze und Möglichkeiten kenne.

Belastungsgrenze

Gleichzeitig sehe ich, dass mein Mann wieder in derselben Situation war, wie in Thailand all die Monate über: Er ist allein für den Großteil des Tages verantwortlich. An einem fremden Ort mit wenig wirklich kindgerechten Tobe-Orten. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, mich auszuruhen – auch wenn es natürlich sein muss. Dem Baby zuliebe.

Kinderungerecht

Und nicht zuletzt waren die letzten Monate auch für unseren 3-jährigen nicht einfach. Wir sind viel umgezogen, waren selbst unzufrieden, überlastet oder schwangerschaftsgeschädigt. Er musste in vielen Situationen funktionieren, ob er wollte oder nicht. Er lebt mit uns in kleinen Wohnungen, macht Abstriche in der Auswahl der Nahrungsmittel im Kühlschrank oder Gerichte auf den Speisekarten.

Das alles macht er super, keine Frage. Ich sehe, wie er sich jeden Tag (ein paar Tage hin und wieder ausgenommen) Mühe gibt, alles richtig zu machen. Die Dinge zu verstehen, die sich doch so schnell verändern.

Hinzu kommt, dass er vor ein paar Tagen angefangen hat, richtig Freundschaften schließen zu wollen. Er kann jetzt wirklich mit anderen Kindern spielen und kommunizieren, nicht nur neben ihnen. Ich muss kein Pädagoge oder Kinderexperte sein, um zu sehen, dass er mehr Stabilität sucht. Mama und Papa reichen nicht mehr, so wie früher. Er will gleichaltrige und seinen Radius erweitern.

Weiterreise

Eigentlich hatten wir ja geplant, nach einer Woche Kuala Lumpur auf die Insel Penang weiter zu reisen. Doch nach den Schwangerschaftskomplikationen waren wir verunsichert. Wir wollten es nicht wirklich darauf ankommen lassen, nicht nur in einer fremden Stadt, sondern auch noch fern des internationalen Flughafens festzusitzen, sollte noch einmal etwas sein. Und was, wenn genau diese Strapazen wieder zu Blutungen führen?

Aber auf weiterhin Großstadt hatten wir auch nicht sonderlich Lust. Uns fehlt das Grün und die Möglichkeit, mit unserem Kind draußen zu sein. So, wie wir es aus Ubud oder von meinen Eltern kannten.

Egal, wie wir es drehten und wendeten, es erzeugte bei uns beiden nur Stress, irgendetwas weiter zu planen oder zu entscheiden. Wir hatten einfach keine Lust mehr, unter diesen Bedingungen weiter zu reisen. Es dauerte ein, zwei Tage, bis ich es zum ersten Mal aussprach: Wir können auch einfach früher nach Hause.

Umbuchen? Neu buchen!

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich längst über die Umbuchungsbedingungen informiert und war der Meinung, dass es max. 300€ kosten würde, früher nach Hause zu fliegen. Als wir uns tatsächlich dazu entschieden hatten, war das Bild allerdings ein anderes. Ein zeitnaher, neuer Flug mit unserer Airline Condor (am 18.1.) hätte 750€ Umbuchungsgebühr plus höherer Flugpreis gekostet. Dazu wäre der Service an Board eher mau. Der ursprüngliche Flugpreis war zwar ein super Schnäppchen, aber jede Einzelheit wie Sitzplatzreservierung oder vegetarisches Essen kostete ordentlich extra.

Zu meiner Überraschung stellte sich heraus: Mit Thai Airways, einer “richtigen” Fluglinie, kosteten neue Flüge kaum mehr. Und wir konnten schon am nächsten oder übernächsten Tag buchen. Da mussten wir nicht lange überlegen und buchten also für den 15.1. neue Rückflüge.

Jetzt denkst Du wahrscheinlich “Die haben doch zu viel Geld”. Doch tatsächlich macht es finanziell kaum einen Unterschied, denn Kuala Lumpur ist nicht gerade billig, was Mieten betrifft. Zumindest nicht, wenn man einigermaßen schön wohnen möchte. Und so hätten wir sicherlich mindestens so viel in den kommenden drei Wochen für Miete, Fahrkosten und Essen ausgegeben. Eine Nullrechnung also und immerhin bekommen wir einen Teil des ersten Tickets erstattet bei einer Stornierung.

Seit ich diesen Buchen-Button gedrückt habe, sind alle gedanklichen Probleme wie weggeblasen und wir freuen uns einfach riesig auf zu Hause. Auch, wenn dort tiefster Winter herrscht. Der Kleine möchte ohnehin Schnee essen.


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3 Kommentare zu „Nachhause fliegen“

  1. Auch wenn ich weder Mann noch Kind habe, habe ich heute ziemlich viele deiner Blogs gelesen und fand jeden prima.

    Dankeschön für das Teilen eurer Erlebnisse und herzlich Willkommen zuhause, ihr 4 🙂

    Schönste Grüße
    Iris

  2. Hallo liebe Hanna,

    ich muss gerade an meine Reise nach Neuseeland denken. Nach der Schule wollte ich unbedingt ins Ausland. Ich wollte Au-Pair machen. Ein Englisch-sprachiges Land sollte es sein und weit weg von Deutschland, sodass ich nicht so schnell wieder zurückfliegen kann.

    Ich war damals schon mit meinem jetzigen Mann zusammen. Aber ich war sehr naiv und glaubte, dass wir 10 Monate eine Fernbeziehung führen könnten (Ich habe es immerhin 4 Monate ausgehalten). Unsere Beziehung hat gehalten, aber es war keine schöne Zeit.
    Gleich zu Anfang trennte ich mich von der au-Pair-Familie und reiste mit Freunden durchs Land. Ich habe so viele Erfahrungen gemacht. Eine ganz besondere, die sich tief in mir eingegraben hat, ist, dass meine Familie mir am wichtigsten ist und ich sie um mich haben muss. Bevor ich flog, war mir das nicht bewusst.
    Aus dieser Erfahrung resultiert nun auch, dass für mich klar war, nach dem Studium wieder in meinen Heimatort zu ziehen, damit ich meine Eltern immer um mich haben kann. Und diese Entscheidung bereue ich bis heute nicht.

    Ich kann eure Entscheidung, nach Deutschland, zu Deinen Eltern zurückzukommen, absolut nachempfinden und wünsche Euch nun erstmal ein wunderschönes Wiedersehen und zu Hause ankommen.

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