Man soll seinen Kindern Wurzeln geben, wenn sie klein sind und Flügel, wenn sie groß sind, heißt es. Die Wurzeln, mit denen meine Eltern mich ausgestattet haben, sind stark. Aber die Flügel scheinen noch stärker.
Von Wurzeln und zu Hause
Ich liebe meine Eltern. Meine Familie. Ich hatte eine wundervolle Kindheit und bin voller Dankbarkeit für alles, was meine Eltern mir ermöglicht haben. Für jeden Kampf, den sie für mich ausgetragen und jede liebevolle Geste, die sie für mich übrig hatten. Für alles, was sie mir beigebracht haben und alles, was sie mir vorleben.
Sie haben mir ermöglicht, zu einer starken, selbstbewussten Frau heranzuwachsen. Haben mir die emotionale Stabilität gegeben, um in die Welt hinauszugehen und mein Leben zu leben.
Vieles, von dem, was ich bin und kann, verdanke ich meinen Eltern. Meiner Mama bin ich sehr ähnlich, in vielen Dingen. Ich bewundere die beiden für das Leben, das sie sich aufgebaut haben. Für ihren Fleiß, ihre Zielstrebigkeit, ihre Weitsicht.
Ich komme gerne nach Hause und oft tut es mir leid, dass ich so selten hier war in den letzten 10 Jahren.
Denn mit 19, nach dem Abitur, zog ich von zu Hause aus. Nach Regensburg. Etwa zwei Jahre später trennte ich mich von meinem damaligen Freund. Von da an kam ich nur noch selten nach Hause zu meinen Eltern. Immer wieder zog es mich hinaus in die Welt, mal für längere Urlaube, mal als Aupair und mal als Erasmus-Studentin. Oft in den Norden. Nach Großbritannien. Gegen Ende meines Studiums lernte ich meinen Mann kennen. Vier Jahre später ging ich mit ihm nach Berlin. Noch weiter weg von meinen Eltern.
Von Flügeln und eigenen Träumen
Denn da ist auch noch eine zweite Stimme in mir. Eine, die oft stärker war als die Heimatverbundenheit. Und weiterhin stärker ist.
Eine Stimme, die einen eigenen Weg gehen möchte. Frei sein. Erfahrungen sammeln. Viele Orte sehen und Menschen kennen lernen. Eine Seite, die einfach nicht erwachsen werden möchte und so viel wie möglich erleben will.
Eine, die die Abwechslung braucht wie die Luft zum Atmen. Eine, für die Stillstand der Tod ist.
Eine, die an einem für immer sehr hart zu knabbern hat.
Ich finde, das Leben ist zu kurz, um immer dasselbe zu machen. Immer am selben Ort zu bleiben. Vernünftig zu sein. Sicherheiten aufzubauen.
Zu Hause
Diese Stimme in mir ist es, die mich hinaus treibt in die Welt. Doch das bedeutet nicht, dass ich nicht weiß, woher ich komme oder wo mein zu Hause ist. Denn dieses zu Hause ist es, das mir die einzige Sicherheit gibt, die ich im Leben brauche. Dieses zu Hause ist kein Ort. Kein Haus aus Ziegelsteinen oder Holz.
Dieses zu Hause sind Menschen. Erfahrungen. Erinnerungen. Werte. Vertrauen.