Angekommen.

Die Schwangerschaft fühlte sich für mich irgendwie surreal an. So, als könnte ich jeden Moment aufwachen und feststellen, dass alles nur ein Traum war und ich gar kein Baby bekomme. Ich war mir sicher, dass sich das mit der Geburt schlagartig ändern würde. Dann würde ich mich als Mama fühlen und voll und ganz in der neuen Rolle aufgehen. Als unser kleiner Rubbelbatz dann auf der Welt war, überwiegte vor allem ein Gefühl: Überforderung. Mit den Wochen wich die Überforderung dann dem altbekannten Gefühl: Unwirklichkeit. Auch ein Kind zu haben fühlte sich irgendwie surreal an. Ganz genau wie in der Schwangerschaft konnte mein Kopf diesen neuen Zustand irgendwie kaum verarbeiten. Oft lag ich nachts wach oder saß tagsüber vor meinem schlafenden Kind und versuchte, mir klarzumachen, dass das echt ist. Für immer. Dieser kleine Zwerg bleibt jetzt bei uns und wir sind dafür verantwortlich.

Noch so ein Problemgedanke. Verantwortung und Erwachsen Sein. Bisher waren wir nur für uns selbst verantwortlich und seit ich 18 war, wartete ich auf den Moment, erwachsen zu werden. Mit 18 stellte ich nämlich fest, dass sich das nicht viel erwachsener anfühlt als 17. Also passiert das Erwachsen Werden bestimmt, wenn man von zu Hause auszieht? Ich fing ein Studium in einer neuen Stadt an und wohnte allein in einer Wohnung, dann in WGs. Von Erwachsenheit keine Spur. Dann wird man bestimmt erwachsen, wenn man richtig arbeitet! Pustekuchen, auch das habe ich 3 Jahre erfolgreich ohne dieses “Erwachsenengefühl” über die Bühne gebracht. Von einer guten Freundin weiß ich, dass man sich auch nach einem Hausbau nicht erwachsener fühlt und auch nicht wenn man geheiratet hat. Ich weiß noch, wie der Rubbelpapa und ich damals in unsere erste gemeinsame Wohnung gezogen sind. Wir haben uns gefreut wie kleine Kinder und manchmal auch so verhalten, wenn wir einfach den ganzen Tag mit heruntergelassenen Schalosien auf der Couch verbracht, uns eine Folge einer neu entdeckten Lieblingsserie nach der anderen angeschaut und zum Abendessen gefrühstückt oder Käse mit Käse überbacken haben. Meine Freundin hat es dann ganz treffend ausgedrückt: Wir Frauen werden in dem Moment schlagartig erwachsen, in dem wir eine Geburt durchleben müssen (Ja, die Schlussfolgerung, dass Männer aus diesem Grund nie richtig erwachsen werden, ist mir durchaus bewusst). In allen anderen Situationen im Leben kann man irgendwie zurück. Davonlaufen. Aufgeben. Abwarten oder verschieben. Hilfe annehmen. Und dann kommt dieser Moment, in dem dir klar wird, dass es kein Zurück gibt. Das Kind muss raus und du musst da durch.

Ich weiß nicht, ob es tatsächlich an der Geburt lag, oder an der Tatsache, jetzt die Verantwortung für einen geliebten kleinen Menschen zu tragen, aber ich würde tatsächlich behaupten, dass ich jetzt erwachsen bin. Ein bisschen zumindest. Natürlich ist das Kind immer noch irgendwo da drin, das verrückt sein will und bockig und ausgelassen, je nach Laune eben.

Und in den letzten Wochen ist noch etwas anderes in mir passiert: Ich bin endlich angekommen. Alles fühlt sich richtig an und echt und schön. Ich weiß, dass dieser kleine Zwerg zu uns gehört und wir ihn über alles lieben. Ich würde ihn am liebsten den ganzen Tag knuddeln und knutschen und nie wieder hergeben. Selbst wenn er meckert und weint, finde ich ihn irgendwie total süß. Verschwunden ist die Unsicherheit, Überforderung und die Angst, nicht mit ihm zurecht zu kommen. Dass er bei mir ist und zwar 24/7 wird ein immer selbstverständlicherer Teil meines Alltags. Meines Lebens. Ich habe das Gefühl, meine Rolle als seine Mama im Griff zu haben und ihm das geben zu können, was er gerade braucht. Natürlich gibt es Orte und Tageszeiten, die für ein Baby ungeeignet sind. Alles andere mache ich jetzt einfach mit ihm zusammen oder noch schöner wir machen es zu dritt. Ich freue mich jeden Tag über die Fortschritte, die er macht und darauf, ihm bald noch mehr von der Welt zeigen zu können. Ich glaube, dass ich so langsam das Geburtstrauma verarbeitet habe. Nichts, von dem, was jetzt da ist, fühlt sich so anstrengend an, wie ich es mir anfangs oft ausgemahlt habe.

Und auch er scheint angekommen zu sein in unserer Welt und in seinem Leben. Wir können Tag für Tag beobachten, wie er immer mehr Spaß daran hat, wach zu sein. Wie er weniger weint und quengelt, sondern einfach die Welt kennenlernt, die wir ihm zeigen. Er übt mit unglaublicher Ausdauer, um sich bald auch fortbewegen zu können – er zieht mit seinen vier Monaten schon seine Knie unter den Körper und versucht, vorwärts zu robben oder schiebt sich mit den Händen nach hinten. Ich merke immer mehr, wie ihm ein Tag zu Hause nicht mehr ausreicht. Er möchte die Welt sehen und entdecken, möchte alles anfassen und untersuchen. Und ich möchte sie ihm zeigen. Gestern hat er, als ich einen Moment unachtsam war, mein Butterbrötchen vom Teller genommen und sich in den Mund gesteckt. Obwohl er die mühsam eroberte Butter natürlich gleich wieder an das Stück Küchenrolle abgeben musste, war ich doch auch stolz auf den kleinen Racker.

Und stolz bin ich jeden Tag, dass dieser Rabauke jetzt zu mir gehört. Kein Traum. Mein Leben.

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4 Kommentare zu „Angekommen.“

  1. Hallo liebe Rubbelmama, einen sehr schönen Beitrag hast du hier verfasst! Ich bin aktuell selbst schwanger und bin mal gespannt, ob ich mich nach der Geburt ‘endlich erwachsen’ fühlen werde! ;o) Bis dahin versuche ich die Schwangerschaft noch ein Weilchen zu genießen. Und das Männer aus diesem Grund nie richtig erwachsen werden, finde ich echt lustig. Vielleicht ist ja ein klein wenig Wahrheit dran!

    Liebe Grüße
    Xx Carolin
    https://www.getmarvelous.com

  2. Ich kenne das Gefühl irgendwie. Nie so richtig erwachsen zu werden, obwohl ich sagen muss, dass ich auch mit Kind jetzt nicht irgendwie das Gefühl habe, dass sich in der Hinsicht etwas geändert hat, viel mehr entdecke ich ja nun all die schönen Dinge aus der Kindheit nochmal neu, aus einer etwas anderen Perspektive, und genieße es sehr, das Kind in mir wieder so sehr ausleben zu düfen und zu können.
    Aber wer sagt denn auch, dass wir jemals erwachsen werden müssen?

    Schön zu lesen, dass ihr nun in der neuen Situation langsam angekommen seid.
    Ich merke es immer wieder: Gerade Faktor Kind löst, zumindest bei mir, oft große Ängste und Unsicherheiten aus. Man hat plötzlich die Verantwortung für ein Lebewesen in dem man nicht drin steckt… hahje…und nun das Ganze gleich nochmal…gruselig ^^

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