Über neun Monate waren wir nun bei meinen Eltern auf dem bayerischen Land. Einen Sommer, einen Herbst, einen Winter und jetzt noch ein paar Tage Frühling. Gelebt haben wir sprichtwörtlich auf engstem Raum, denn außer unserem Schlafzimmer hatten wir keinen Raum, bei dem man die Türe zumachen kann. Das heißt, unser Wohnraum im oberen Stockwerk war mit einer Treppe unmittelbar verbunden mit Flur, Küche und Wohnzimmer im Erdgeschoss.
Wie es uns damit nun über die Monate erging und ob ich es wieder so machen würde.
Minimalistisch wohnen mit 3 Generationen
Obwohl wir oben eine Art Wohnzimmer hatten, hielten wir uns eigentlich den Großteil der Zeit unten auf. Tagsüber, weil dort auch Küche und Badezimmer waren, abends, weil wir Zeit mit meinen Eltern bzw. seinen Großeltern verbringen wollten. Weil es einfach geselliger ist zu fünft.
In aller Regel aßen wir gemeinsam zu Abend, meine Mama und ich kochten abwechselnd. Macht auch viel mehr Sinn als jeder für sich, ist nur halbe Arbeit und sorgt für mehr Abwechslung. Auch den Kühlschrank teilten wir ganz selbstverständlich, die Waschmaschine und die Einkäufe.
Zugegeben, das ist wenig Platz und wenig Privatsphäre. Wenn möglich, machten wir die Dinge so, wie meine Eltern es schon immer taten. Ist ja auch ihr Haus. Und wir konnten uns schon mal langsam daran gewöhnen, wie es in den nächsten Monaten und vielleicht Jahren für uns ein wird: Mit dem leben, was wir vor Ort zur Verfügung haben, an andere Lebensgewohnheiten anpassen, flexibel sein.
Betreuung durch die Großeltern
Unser Sohn liebt seine Großeltern und sie ihn. Anders ist es auch schwer vorstellbar. So hat er mit ihnen in den neun Monaten viel Zeit verbracht – und wir konnten eine Freiheit auskosten, die wir in Berlin nie gehabt hatten. Wir konnten abends mal zu zweit Essen gehen und danach ins Kino, wir konnten sogar mal zwei Nächte wegbleiben, Silvester zu zweit feiern. Und zwar komplett ohne schlechtes Gewissen. Denn wir wussten, dass alle Beteiligten die Zeit genießen und hatten nie das Gefühl, unser Kind “abgeschoben” oder “jemandem aufs Auge gedrückt” zu haben.
Diese Freiheiten werden uns im Ausland auf jeden Fall sehr fehlen.
Probleme im Zusammenleben
Probleme und Konflikte hatten wir in den neun Monaten keine nennenswerten. Wer von unserer Wohnsituation erfuhr, schlug in der Regel die Hände über dem Kopf zusammen und dachte sowas wie “Das muss ja schief gehen!” oder “Das könnte ich nie!”. Ich war ehrlich gesagt auch skeptisch vorab. Aber ich ließ mich darauf ein mit dem Gedanken, dass wir eben umso früher ins Ausland gehen, wenn es nicht klappt. Tatsächlich blieben wir dann aber sogar länger als gedacht.
Denn wir wussten alle vorher, dass das eine Situation auf Zeit ist. Dass es sich nicht lohnt, jede kleine Grundsatzdiskussion auszufechten, wenn es nicht wirklich wichtig ist. Und für mich persönlich waren die Kompromisse, die ich dadurch eingehen musste, wirklich minimal. Und wenn es welche gab, waren die immer nur im Bezug auf meinen Sohn bzw. seine “Erziehung”. Denn ob ihr es glaubt oder nicht, meine Eltern sind noch viel liberaler in Sachen Kinder als wir. Wenn bei uns die Schmerzgrenze längst erreicht ist, heißt es von meinen Eltern “Aber vielleicht darf er wenigstens kurz…?”.
Jederzeit wieder!
Auf Dauer, das ist mir auch klar geworden, ginge es so wahrscheinlich nicht ohne gelegentlichen Streit. Wie das in Familien eben so ist. Trotzdem würde ich die neuen Monate immer wieder so verbringen. Nach den anstrengenden ersten zwei Jahren ohne großartige Unterstützung konnte ich so die Großeltern-Betreuung mal richtig auskosten. Zur Ruhe kommen.
Und unser Sohn und seine Großeltern hatten die Gelegenheit, sich ausgiebig kennenzulernen. Nicht nur ein paar Tage oder mal eine Woche, sondern verlässlich und über längere Zeit. Diese gemeinsamen Momente werden ihn, ob er sich nun direkt daran erinnert oder nicht, ein Leben lang begleiten. Denn gerade in den Kleinkind-Jahren findet so viel statt im Gehirn der kleinen Menschen, was sie für immer prägt. Eine riesige Portion Liebe, Zeit und Geduld kann da niemals schaden!