Brief an meinen einjährigen Sohn

Mein kleiner Engel,

genau ein Jahr ist es nun her, dass wir beide uns das erste Mal gesehen haben. Es war ein Mittwoch Morgen um kurz vor 6 Uhr, als du auf meinem Bauch lagst und uns mit diesem grimmigen Blick angesehen hast. Nachdem wir uns beide ein paar Augenblicke ausgeruht haben, hast du gleich angefangen zu trinken. Schon damals warst du ein starkes Baby. Und ein guter Esser. Du hast auf beiden Seiten getrunken und von da an mindestens alle 2 Stunden, meistens öfter.

Für mich war der Moment gar nicht zu fassen. Du warst wirklich da, und du hast ganz anders ausgesehen, als ich mir dich vorgestellt hatte. Nachdem ich tagsüber ein paar Stunden geschlafen hatte, lag ich die darauffolgende Nacht größtenteils wach und habe auf dich aufgepasst und dich beobachtet. Denn du warst sehr unruhig und wolltest oft an die Brust. Na klar, du kanntest ja gar nichts auf dieser Welt, außer mich und meinen Herzschlag.

Das restliche Jahr hast du dich in absolter Rekordgeschwindigkeit entwickelt. In den ersten Monaten hast du pro Woche 1 cm und 250g zugelegt. Mit deinen 4450g Geburtsgewicht warst du von Anfang an schwerer und weiter entwickelt als andere Kinder. Man hat uns gesagt, dass schwere Kinder später anfangen, sich motorisch zu entwickeln und dass wir uns keine Sorgen machen sollten. Das mussten wir auch nicht, du hast allen das Gegenteil bewiesen. Wenn ich mir Sorgen gemacht habe, dann nur, dass du dir zu wenig Zeit lässt, dass du dich vielleicht selbst überforderst.

Aber du konntest es nicht erwarten. Du konntest noch nicht einmal krabbeln, da hast du dich zum ersten Mal an deinem Papa, der vor dir auf dem Boden lag, hochgezogen, hingestellt und bist nach hinten auf den Kopf gefallen. Kaum konntest du mit deinen gerade mal 6 Monaten krabbeln, wolltest du auch stehen und kurz darauf am liebsten laufen. Mit 10 Monaten konntest du dann nicht mehr warten und hast immer öfter einfach losgelassen, um alleine zu laufen. Auch wenn dir eigentlich noch die Muskeln und die Koordination gefehlt haben und du nach wie vor etwas wackelig auf den Beinen bist – dir war das egal. Laufen ist Laufen. Seit du dich selbst fortbewegen kannst, kenne ich kein Kind, das motorisch so weit ist, wie du.

Und zum Laufen gehört mittlerweile auch Klettern, Trampolinspringen, Tanzen, Wippen und Rutschen. Je wilder, desto besser. Dich auf dem Spielplatz auf der Wippe oder auf einem Schaukelpferd festhalten kannst du richtig gut. Da hast du wahnsinnige Ausdauer.

Genauso wie beim plappern. Wenn du gut gelaunt bist, erzählst du ewig lange Geschichten – ich freue mich auf den Tag, an dem wir die auch verstehen. Überhaupt bist du so voller Lebensfreude, so vertrauensvoll und unvoreingenommen. Du hast vor niemandem Angst und bist ein sehr unabhängiges Kind. Wenn wir draußen unterwegs sind, bewundern das sehr viele Leute. Auch wie niedlich und hübsch du bist, bekommen wir oft gesagt. Der Typ kann noch so grimmig und gefährlich und volltätowiert sein – deinem Charme konnte bisher kaum einer widerstehen. Am Ende winken sie dir alle zurück oder du entlockst ihnen ein “Ist der aber süß!”.

Schon lange hast du eine ganz große Liebe für Bücher. Wenn wir dir ein Buch vorlesen, bist du ausnahmsweise in der Lage, stillzusitzen und konzentriert zuzuhören. Deine ersten drei Lieblingsbücher waren “Der stinkesaure Braunbär”, “Die kleine Spinne spinnt und schweigt” und “Die kleine Raupe Nimmersatt”. Aus deinem kleinen Bücherregal hast du immer nacheinander diese drei Bücher ausgesucht und uns gegeben mit einem “Da” oder später einem “Doi” (das heißt wohl “Lies vor”). Erst später kamen noch weitere Bücher dazu, die du gerne hören möchtest. An immer denselben Stellen zeigst du bestimmte Reaktionen. So lachst du zum Beispiel laut, wenn die kleine Spinne die Fliege fängt oder verlierst das Interesse, wenn sich die kleine Raupe in ihren Kokon einbaut.

Ganz große Liebe scheinst du außerdem zu Hunden zu haben. Ich habe dich selten so herzlich und lange lachen sehen, als das erste Mal, als du im Park einen Hund aus der Nähe sehen konntest. Es war ein kleiner, kinderlieber Rauhhaardackel, der immer genau so schnell gelaufen ist, dass du in seiner Nähe bleiben, ihn aber nicht erreichen konntest. Das hat mindestens 20 Minuten gedauert und du wärst wohl noch länger hinter ihm her, wenn die Besitzer nicht weiter gegangen wären. Seitdem entdeckst du unterwegs jeden Hund, egal wie weit er entfernt ist und zeigst ihn uns mit einem begeisterten “da”.

Mir hast du in diesem Jahr gezeigt, was es heißt, eine Mama zu sein. Ich habe viel über meine eigenen Eltern verstanden und auch mich selbst ein bisschen besser kennengelernt. Ja, auch Mamas haben Grenzen der Belastbarkeit. Allerdings scheinen das keine absoluten Grenzen zu sein, denn wenn es um dich geht, kann ich über diese Grenzen auch hinauswachsen. Du hast momentan absolute Priorität in unserem Leben und erst wenn es dir gut geht, denken dein Papa und ich an uns selbst.

Heute, an deinem Geburtstag, war ich mal wieder so unglaublich stolz auf dich. Wie du dich auf deine Geschenke gestürzt hast und dir gleich die Gießkanne geschnappt hast, die dein Opa dir gekauft hat. Und wie du dir die Kerzen auf deinem Geburtstagskuchen angesehen hast und ganz verträumt gestaunt hast. Ich selbst staune jeden Tag, wie du die Welt immer besser verstehst und immer wacher wirst. Wenn du morgens aufwachst und freudig losplapperst und dann zu mir oder deinem Papa krabbelst, um uns richtige Küsschen zu geben, dann ist jede Schwierigkeit der letzten 12 Monate vergessen. Alles und viel mehr würde ich nochmal durchmachen, um dich bei uns zu haben, mein kleiner, süßer Spatz.

Wir freuen uns schon so auf das nächste Jahr mit dir. Wir sind so stolz auf dich und lieben dich über alles!

Deine Mama

4 Kommentare zu „Brief an meinen einjährigen Sohn“

  1. An diesen besonderen ersten Geburtstagen mag ich am liebsten immer erstmal “Herzlichen Glückwunsch” an Mama und Papa sagen. Auch für euch ein wichtiger Tag. Irgendwie auch ein Geburtstag. Ihr versteht schon. Euch erreicht ganz bald auch nochmal ein persönlicher Glückwunsch, aber ich war (mal wieder) etwas zu langsam.

    Auf das aufregende letzte Jahr und die vielen tollen Zaubermomente, die noch kommen. Das erste “Mamaaaaa” ist ein Wunder. Zum Beispiel.

    Und natürlich auch: “Hoch die Tassen, kleiner Lord! Auf deine Regentschaft im Hause Rubbelbatz!”

  2. Herzlichen Glückwunsch auch von mir! Meine erste Tochter war auch so ein Wirbelwind! Mit 5 Monaten hat sie schon sehr gut krabbeln können, was alle nicht geglaubt haben, bis sie es selbst gesehen haben 😉 Manche Kinder haben es wirklich sehr eilig im Leben…
    Liebe Grüße
    Tanja

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