Burnout bei Müttern: eine Geschichte von Perfektionismus und Realität

Burnout

Ich freue mich, euch heute einen Anschlussbeitrag zum Thema Burnout bei Müttern vorstellen zu können. Susanne Ertle ist 34 Jahre alt, Mutter eines fast 3-jährigen Jungen und hat einen Burnout hinter sich. Denn auch und gerade als Mutter war sie davor nicht gefeit. Wie ihr Perfektionismus sie in diese abwärtsgerichtete Gedankenspirale trieb, schildert sie in ihren eigenen Worten.


Vom eigenen Anspruch an die perfekte Mutterschaft

Die perfekte Schwangere

Schon in der Schwangerschaft wollte ich einfach alles perfekt machen. Ich nahm mir vor, nur noch gesunde Lebensmittel zu mir zu nehmen. Mein Frühstück bestand aus frisch geschnittenem Obst. Schließlich wollte ich das Ungeborene mit guten Nährstoffen versorgen und später eine Vorbildfunktion sein. Ich kaufte mir schlaue Bücher über Schwangerschaft, Geburt und Erziehung, und befolgte brav die darin enthaltenen Ratschläge. Nicht einmal fehlte ich bei der Geburtsvorbereitung, oder auf der Arbeit wegen Schwangerschaftsbeschwerden. Ich lud mir eine App herunter, die mich täglich mit Informationen versorgte, welche Entwicklungsstufe gerade stattfindet, was das Baby gerade besonders braucht, und schrieb täglich ein paar Zeilen an den künftigen Nachwuchs – ein Schwangerentagebuch.

Ein regelrechter Wettbewerb begann unter uns werdenden Müttern: Wir übertrumpften uns mit Erzählungen und Berichten, was wir nicht wieder alles hergerichtet, geleistet und gemeistert haben. Vor allem, um allen zu zeigen, wie toll wir sind, und wie sehr wir uns doch den Titel „Mama“ verdienen. Und selbst als es mir mal nicht besonders gut ging, strahlte ich dennoch über beide Ohren und winkte ab mit: „Das geht schon, das geht prima, ist überhaupt nicht schlimm.“

Ich wollte schlichtweg die perfekte Mutter werden und sein.

Die perfekte Familie

Findest du das erstrebenswert? Ich erzähle dir, wie es noch war:

Als immer deutlicher wurde, dass meine Beziehung im Eimer ist, fand in mir eine massive Ambivalenz statt. Ich war zwiegespalten und mit Widersprüchlichkeiten nur so übersäht. Mein ganzes Weltbild geriet aus den Fugen. Ich musste meinem Kind doch eine Familie bieten. Und dazu zählt doch Mutter- Kind- UND Vater, und zwar unter einem Dach, als sich innig liebende Familie.

Wenn ich das irgendjemandem erzählen würde, dann würde ich doch nur lächerlich gemacht oder bloßgestellt werden. Ich, die Versagerin, ich, die es nicht wert ist, geliebt zu werden, ich, die sich mal was schämen sollte, nicht genug dafür gekämpft zu haben. Wie sollte ich das jemals meinem Kind erklären?

So überspielte ich den Ernst der Lage und dachte: „Mein Partner leidet nur unter einer Krise. Er wird Vater und verkraftet das psychisch nicht. Sein Verlangen, sein Sich-hingezogen-fühlen zu anderen Frauen, seine Angst, im Leben etwas verpasst zu haben, all das ist doch etwas, das ich hinbekommen kann. All das werde ich in den Griff bekommen und ihn wieder „auf den rechten Weg bringen“.

Ich dachte, ich habe etwas falsch gemacht. Ich dachte, ich habe mich nicht ausreichend um ihn bemüht und gekümmert. Ja, ich dachte sogar, dass ich mich mehr anstrengen und eine bessere Frau sein muss. Auch hier wollte ich einfach nur perfekt sein.

Warum es egoistisch ist, es allen recht machen zu wollen

Fällt dir auf, wie ICH-bezogen dieser Perfektionismus eigentlich in Wirklichkeit ist?

Wenn du auch eine Person bist, die gerne alles perfekt macht, vollkommen, ideal und fehlerlos sein möchtest, dann glaubst du vielleicht, dass du das ja alles nur für andere machst. Für deinen Partner, dein Kind, deinen Job, deinen Chef, deine Eltern, oder deine Freunde usw. Nutze den Moment und sei mal bitte ganz ehrlich zu dir: Warum willst du das wirklich sein?

  • Willst du nicht eine vollkommene Partnerin sein, um mehr geliebt zu werden?
  • Willst du nicht eine perfekte Mutter sein, um ernst genommen und als kompetent empfunden zu werden?
  • Willst du nicht eine fehlerfreie Angestellte oder Mitarbeiterin sein, um einen vermeintlich sichereren Job und Anerkennung zu bekommen, anstatt vielleicht die Konsequenzen eines Fehlers tragen zu müssen?
  • Willst du nicht eine ideale Tochter sein, um mehr geliebt zu werden?
  • Willst du nicht eine herausragende Freundin sein, um dein/e Freund/in nicht zu verlieren?
  • Willst du es nicht jedem rechtmachen, damit du nichts zu befürchten hast?

Hinter Perfektionismus steckt oftmals mangelndes Selbstvertrauen und Angst.

Versagensängste, die für jeden ganz individuell aussehen können. Du läufst wie in einem Hamsterrad, rackerst dich ab, und es kostet dich Unmengen an Energie und Kraft! Denn du tust es meist nicht mit Freude, sondern weil eine Angst, ein Zwang oder Ähnliches dahinter steht. Meist handeln wir also nicht aus einer bewussten Entscheidung heraus, sondern weil wir in uns etwas damit bezwecken wollen, z.B. dass der Partner bleibt und mich liebt, dass mein Kind wohlerzogen wird etc…

Aber ich frage dich heute:

Wer bestimmt eigentlich, was perfekt ist?

Wer oder was das Gute und Richtige für dich ist?

Kennst du dich denn überhaupt selbst? Weißt du, was DU WIRKLICH willst?

Welche Träume und Sehnsüchte hast du?

Welches riesige Potential verbirgt sich in dir?

Hast du den Mut, Fehler zu machen?

Du kannst daraus unglaublich viel lernen. – Wenn du das, was du tust, mit FREUDE tust.

 

Solltest du nun den Entschluss gefasst haben, deinen Perfektionismus abzulegen, so rate ich dir:

  • Stecke dir deine Ziele nicht zu hoch.
  • Orientiere dich nicht an utopischen Idealen.
  • Vergleiche dich nicht mit anderen.
  • Gestehe dir selbst deine Schwächen ein.
  • Bitte andere um deren Hilfe.
  • Lege Scham und Schuldgefühle ab.
  • Bleibe realistisch.

Und verinnerliche: „ICH BIN GUT GENUG!“

Nur so gelingt dir ein achtsamer Umgang mit deinen Kindern, ohne zu verkörpern, was Franz-Josef Strauß völlig korrekt erkannte:

Everybody’s darling is everybody’s Depp.

 

Lebe leicht, entspannt und voller Lebensfreude!

 


Burnout bei MütternHeute ist Susanne übrigens Burnout- und Stresspräventionsberaterin, vorwiegend für Mütter. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass ihr eigener Weg und die Vorbildfunktion vielen Trost spenden. Vor Kurzem veröffentlichte sie dazu ihr erzählendes Sachbuch mit biographischen Zügen “Burnout im Baby-Glück?”, in welchem sie ausführlich und offen “die Denke” Betroffener schildert.

 

Burnout bei Müttern: Der Weg nach oben

Das sagt Susanne rückblickend über ihren Weg aus der Burnout-Falle:

Ich fand den Weg raus, als ich mit meinem Sohn alleine war. Er lehrte mich, bewusst zu sein, er lehrte mich, dass es völlig ok ist, mal nicht perfekt zu sein. Das war der Ausstieg aus dem Hamsterrad. Erst während meiner Ausbildung zur Stress- und Burnoutpräventionsberaterin erkannte ich, wie tief ich eigentlich bereits damals tatsächlich schon selbst in der Falle saß. Mein wohl wichtigster Rat ist, bewusst zu leben und sich nicht davor zu scheuen, Hilfe anzunehmen. Kein Mensch auf diesem Planeten sollte sich mit etwas alleine rumschlagen müssen. Die Herausforderung ist es vielmehr, eine Vertrauensperson zu finden, die dich auch voranbringen kann. Und das so bald als möglich.

 

Online findet ihr Susanne Ertle hier:

www.burnout-im-baby-glueck.de

www.bodywell-massagen.de/coaching


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6 Kommentare zu „Burnout bei Müttern: eine Geschichte von Perfektionismus und Realität“

  1. Dieser Artikel trifft den Nagel auf den Kopf, auch mir ist das passiert. In meiner zweiten Schwangerschaft have ich gemerkt, dass etwas totaö schief läuft, ich konnte es niemanden Recht machen und mir selber auch nicht. Der Vater meiner Kinder hat auch nur noch draufgekloppt und seine Mutter hat dann dem Fass den Boden ausgeschlagen. Kurz nach der Geburt habe ich meine Jugendliebe wiedergetroffen, er hat mir die Augen geöffnet und mich gefragt “Was machst du da eigentlich? Wo ist die Frau, die ich kenne!”. Die Erkenntnis in der Ehe “versagt” zu haben hat mich fast in den Selbstmord getrieben!
    Jetzt 4 Jahre später lebe ich mein Leben (meine Kinder leben im Wechselmodell, 2 Wochen bei mir 2 Wochen bei ihrem Vater), ich bin noch lange nicht am Ende des Weges angelagt, aber es wird immer besser!
    Danke für den Artikel, denn er zeigt dich, dass es ja vielen Frauen so geht!.vg Desiree

    1. Hallo Desiree,

      vielen Dank für diesen ehrlichen Kommentar. Man denkt ja so oft, dass man mit den Problemen “allein” ist oder fragt sich, warum es “ausgerechnet mich trifft”. Dabei passiert das so vielen Menschen, Frauen, Müttern. Und es ist keine Niederlage oder Versagen, in meinen Augen. Es ist das Resultat aus einer Einstellung bzw. Lebensweise, die uns nicht gut tut. Das zu sehen und zu verändern ist keine Schande. Hilfe anzunehmen auch nicht. Es braucht dazu viel Kraft, die in dieser Situation ohnehin so schwer aufzubringen ist.

      Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute und dass der Weg nach oben geht.

      Liebe Grüße,
      Hanna

    2. Danke von Herzen liebe Desiree für deine offenen ehrlichen Worte.
      Genau das treibt mich so sehr an. Ein (leider noch immer großes) Tabu zu thematisieren und vielen “gleichgesinnten” Mut geben, selbstbestimmt auf die Entdeckungsreise zurück zu sich selbst zu gehen.
      Ich liebe es so sehr mit Mamas zu arbeiten, weil die genau diese Erkenntnisse an ihre Kinder weitergeben. Ich bin sicher, du bist eine ganz wundervolle Mutter und gibst all deine Erfahrung weiter.
      Ich wünsche dir von Herzen auf deinem Weg alles Liebe,
      Susanne

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