Das Dilemma mit der Kinderbetreuung bzw. Fremdbetreuung
Neulich war ich mit den Mamis meines Vertrauens eine Kita besichtigen. Einfach so und ganz spontan, weil sie bei einer von uns um die Ecke lag. Ich würde das Erlebnis auf jeden Fall als Interessant einstufen. Lehrreich. Bis dahin hatte ich mich zwar schon mit dem Thema Fremdbetreuung beschäftigt, aber noch nie so konkret wie bei der Besichtigung. Die Leiterin nahm sich viel Zeit, unsere laienhaften Fragen zu beantworten, uns die Räumlichkeiten zu zeigen und setzte uns schließlich alle auf die Warteliste. Die Kita hatte wirklich einiges zu bieten, wie z.B. selbstgekochtes Bio-Essen oder einen riesigen Garten zum spielen und toben. Trotzdem blieb bei mir und den befreundeten Mamis ein fahler Beigeschmack. Wollen oder müssen wir unsere Babys wirklich in solch eine Einrichtung geben? Sie jeden Tag da zurücklassen und arbeiten gehen? Irgendwie fühlte sich das für keine von uns so richtig gut an und wir haben seitdem auch keine Kita mehr besichtigt. Momentan wird über das Thema geschwiegen.
Für mich bleibt der innere Zwiespalt zum Thema Fremdbetreuung. Ist es besser für den kleinen Rubbelbatz, den ganzen Tag mit mir zu verbringen? Oder braucht er auch den regelmäßigen Kontakt zu gleichaltrigen? Und was ist mit mir? Werde ich irgendwann gestresst sein vom dauerhaften zu Hause bleiben? Wird mir die Arbeit fehlen? Irgendwie ist es ganz schön traurig, dass sich beide Interessen irgendwie kaum unter einen Hut bringen lassen. (Es sei denn, man lebt in einer Großfamilie oder einer Kommune.)
Coworking Toddler in Berlin – Die Lösung oder Alternative zur Kita?
Und dann erhielt ich letzte Woche von einer Freundin einen Link, der zumindest einen Lösungsansatz enthielt: Das Projekt “Coworking Toddler” hier in Berlin.
Weil ich von der Idee und den dadurch entstehenden Möglichkeiten wirklich hellauf begeistert bin, möchte ich euch das Projekt kurz vorstellen. Dazu hat mir Sandra Runge alle Fragen, die bei mir nach Lesen von Homepage und Blog noch offen geblieben sind, beantwortet.
Was ist Coworking-Toddler?
Das Projekt bietet arbeitenden Eltern einen Arbeitsplatz ganz nah am Betreuungsplatz. Das heißt, dass sich Gemeinschaftsbüro und Kinderbetreuung in denselben Räumlichkeiten befinden und gut miteinander vernetzt sind – wenn auch räumlich getrennt. Die Vorteile liegen auf der Hand: den Weg morgens zur Kita kann man sich sparen und auch die Mittagspause kann man gemeinsam verbringen. Stillende Mütter können die gesetzlich eingeräumten Stillpausen auch tatsächlich nutzen und wann immer es ein Problem gibt oder das Kind die Mutter / den Vater braucht, wird man angepiepst. Treffpunkt ist aber dann weder der Arbeitsbereich, noch der Kita-Bereich, sondern die Gemeinschaftsräume, die sich zwischen den beiden Bereichen befinden.
Was kostet ein Arbeitsplatz?
Ein Vollzeitplatz im Coworking Space von Coworking Toddler Prenzlauer Berg wird 350 Euro (zzgl. Umsatzsteuer) kosten– darin enthalten sind unter anderem ein fester Arbeitsplatz, ein abschließbarer Schrank und natürlich WLAN. Gegen einen kleinen Aufpreis gibt es eine Flatrate für Kaffee und Tee, außerdem bieten wir noch ein spezielles Office-Paket an, darin enthalten sind zum Beispiel eine Geschäftsadresse und ein Postservice. Ein Elternpaar kann sich den Platz gerne untereinander aufteilen, also zum Beispiel drei Tage Papa und zwei Tage Mama.
Büro oder nur Tisch?
Am ersten Standort starten wir mit zwölf Arbeitsplätzen und diese verteilen sich auf drei Tische in drei Bereichen eines größeren Raumes. Der Arbeitsbereich hat eine eigene kleine Teeküche und Blick auf eine grüne Terrasse. An späteren Standorten wollen wir auch Einzelbüros möglich machen, sofern das die Räumlichkeiten erlauben.
Wie kann der gute Betreuungsschlüssel erreicht werden?
Statistisch werden in Berlin knapp 7 Kinder im Altern von 0 – 3 Jahren von einer Erzieherin betreut. Wir sind der Ansicht, dass eine kindgerechte Betreuung mit diesem Schlüssel nicht möglich ist. Daher werden wir alles dafür tun, einen wesentlich besseren Betreuungsschlüssel konstant zu erreichen. Unser innovatives Personalmanagement wird zusätzlich dafür Sorge tragen, dass die Erzieher so viel wie möglich Zeit mit den Kindern verbringen – zum Beispiel durch die Entlastung von administrativen Aufgaben.
Warum können das andere Kitas nicht?
Das müssen diese Einrichtungen beantworten. Es gibt auch viele verantwortungsvolle Kitas, die einen kindgerechten Betreuungsschlüssel umsetzen. Gleichzeitig wünschen auch wir uns von der Politik eine stärkere Förderung der frühkindlichen Betreuung, damit Kitas besser finanziert und Erzieher fair bezahlt werden können.
Kann man auch nur einen Betreuungsplatz haben, ohne Büro?
Wir richten uns in erster Linie an Eltern, die unser Konzept mit uns leben wollen und die Gemeinschaft von Kindern, Eltern und Erziehern ist nun mal der Kern von „Coworking Toddler“. Deshalb wünschen wir uns Familien, die beides nutzen möchten. Das ist auch für die Kinder wichtig, die dann ja täglich miterleben, dass die Eltern der anderen Kinder auch immer da sind.
Bekommt jemand einfacher einen Platz, wenn er z.B. Vollzeit arbeitet? Gibt es andere Auswahlkriterien?
Nein, wir sind für alle Bewerber offen.
Wann geht es nun wirklich los?
Wenn es nach uns geht am liebsten sofort, aber erst müssen wir den Umbau abschließen und dann sind wir noch von behördlichen Genehmigungen abhängig und müssen sehen, wie schnell unsere Anträge bearbeitet werden. Wir rechnen mit einem Eröffnungstermin im Frühjahr 2016.
Wohin soll es als nächstes gehen?
Wir führen viele Gespräche, können dazu aber noch nichts Konkretes sagen. Grundsätzlich denken wir vor allem über größere Ballungszentren wie zum Beispiel Hamburg, Köln, Frankfurt/Main oder München nach.
Danke, Sandra!
Und jetzt?
Ich glaube kaum, dass mein momentaner Arbeitgeber mir eine solche Möglichkeit anbietet. Zumal ich ja auch viel im Kundenkontakt bin und dadurch der Unterschied zum Abgeben in der Kita nicht allzu groß wäre. Das heißt, ich könnte einen derartigen Arbeitsplatz leider nur wahrnehmen, wenn ich meinen Arbeitsplatz wechsle und einen neuen Beruf ergreife. Am schönsten wäre es natürlich, irgendwas “Eigenes” zu machen. Dazu muss ich mir in den nächsten Monaten wohl oder übel Gedanken machen: Was soll nach der Elternzeit kommen?
Ja, so ist das mit der Fremdbetreuung, auch für mich klingt die Idee nach einem Büro mit integrierter Kita genial. Aber, ganz ehrlich: Kommt man dann wirklich zum Arbeiten, wenn man dauernd sein Baby weinen, lachen oder rennen hört? Kommt wahrscheinlich darauf an, was man für ein Typ Mutter ist. Ich bin tatsächlich wahnsinnig froh, dass mein Baby seit ein paar Wochen in die Kita geht – es ist mehr Freiheit für mich und viel Spaß für ihn. Tatsächlich “brauchen” tun Kinder andere Kinder aber wohl bis sie ca 2 Jahre alt sind, nicht. (Das sagen zumindest die Experten) Meinem Sohn war langweilig zu Hause irgendwann und er liebt (!) die Kita. Aber es ist auch anstrengend für ihn, hinterher ist er ganz schön fertig … Aber, ich denke, es ist dennoch für uns beide die beste Lösung – ich komme zum Arbeiten, er hat Spaß und nachmittags (er geht nur bis Mittags) sind wir wieder zusammen 🙂
Liebe Nora,
die Räumlichkeiten für Arbeiten und Kinder sind wohl strikt voneinander getrennt, dazwischen liegen Gemeinschaftsräume. Ansonsten teile ich deine Meinung 😉
Ja, das macht ja Sinn 😀