Seit etwas mehr als fünf Wochen leben wir nun auf Bali. Eine Zeit, in der ich nicht nur viel über uns als Familie und jedes einzelne Mitglied dieser Familie gelernt habe, sondern auch über die Insel Bali und das Land Indonesien. So is das Ziel, mit dem die meisten Reisenden hierher kommen, in sich schon widersprüchlich. Und man merkt es noch schneller, wenn man hier auf Bali mit Kindern unterwegs ist.
Das Bali-Klischee
In Berlin gibt es ein Spa, das sich “Vabali” nennt. Es ist eines der schönsten, das ich kenne, denn der gesamte Wellnessbereich ist im balinesischen Stil designt. Das heißt, dass es dort künstlerisch geschnitzte Holzmöbel gibt, viele Naturmaterialien, weiße Vorhänge, die im Wind wehen und wunderschöne Stoffe und Kissen in den Ruheräumen. Überall riecht es nach Rächerstäbchen und frisch gewaschener Wäsche und man kann richtig die Seele baumeln lassen.
Mit ungefähr so einer Vorstellung im Kopf reisen viele dann an den Ort, wo diese Möbel und dieser Lebensstil herkommen. Bali. Die Insel der Götter. Und der weißen Traumstrände, der blütengefüllten Pools und grünen Reisfelder. Die meisten Reisenden in meiner Alters- und Bildungsklasse wollen nicht an die überfüllten Hotelstrände in Kuta, sie wollen sich auf die Suche machen nach “Geheimtipps”, nach dem authentischen, ursprünglichen Bali.
Doch was ist das eigentlich, das authentische Bali? Ich glaube, wir stellen uns darunter ländlichere Gebiete vor, mit weniger Verkehr und Hektik. Eine fast schon romantische Ärmlichkeit der Reisbauern, die dort mit Strohhüten ihre Felder pflegen oder sich um die Tiere kümmern. Denn so sieht man es doch auf Postkarten und ästhetisch wertvollen Bildern von professionellen Fotografen. Und da wollen am liebsten alle hin. Wo der Tourismus noch nicht angekommen ist und man noch das “echte” Bali erleben kann.
Das echte Bali
Und hier fängt das Problem an: Das, wonach die Urlauber da suchen, gibt es hier nicht. Indonesien ist nicht schön, sauber und wohlriechend. Auch nicht auf dem Land. Das hier ist ein Entwicklungsland. Die Menschen sind arm und kümmern sich lieber ums Überleben als um die Schönheit ihrer geschnitzten Holzbetten und die Blumen in den tropischen Gärten. Sie haben kaum ein Bewusstsein für Müll, Umweltverschmutzung und ethisch korrekte Tierhaltung. Sie wollen überleben und versuchen, der Armut zu entfliehen. Wenn sie dazu eine Möglichkeit sehen, dann steht das über Umweltschutz oder möglicher Tierliebe.
Das echte, authentische Bali ist darum optisch nicht groß zu unterscheiden vom authentischen Indonesien: Es ist arm und voller Müll. Die Städte sind laut, hektisch und abgasverpestet. Natürlich sehen wir das nie auf Postkarten oder Instagram, denn damit lässt sich wenig Geld verdienen oder Neid ernten. Doch so sieht es aus, das Bali der Einheimischen.
Umweltverschmutzung
Auf den Urlaubsbildern sehen wir Traumstrände mit türkisblauem Wasser und weißem Sand. Was wir nicht sehen, sind die Plastiktüten, die den Urlaubern um die Füße gespült werden, wenn sie baden gehen. Wir sehen nicht den Müll, der sich an mancher Strandecke verbirgt und sicherlich in jedem Straßengraben. Der Abfluss vieler Häuser oder Höfe führt hier direkt in den Bach – und dann ins Meer.
Auch im Landesinneren wie Ubud sind die Reisfelder nicht immer grün und idyllisch. Oft ist “Reisfeld” auch gleichbedeutend mit “stinkende, braune Kloake”, in der sich Mückenlarven tummeln.
Kein unnötiger Meter wird auf Bali zu Fuß zurückgelegt, lieber werden Auto oder Roller genutzt.
Benzinsparen, Stromsparen, Wassersparen. Das alles wird wenn überhaupt aus finanziellen Gründen, aber niemals aus Liebe zu unserem Planeten getan.
Tierquälerei
Touristen wollen auf Elefanten oder Ponys reiten, Tiger streicheln und mit Affen spielen. Mit Tieren lässt sich also gutes Geld verdienen – solange sie richtig dressiert sind. Dafür werden teilweise sehr zweifelhaft und wenig tierliebe Methoden angewandt, die vor allem bei Elefanten häufig angeprangert werden.
Hier gibt es außerdem verschiedene Traditionen, die Tierquälerei oder wenig artgerechte Haltung beinhalten. Hahnenkämpfe stehen zum Beispiel an der Tagesordung und Wildvögel werden in winzige Käfige gesteckt.
Hunde werden selten kastriert / sterilisiert oder tierärtztlich behandelt, wenn sie Tumore oder Knochenbrüche durch den Straßenverkehr haben. Natürlich gibt es auch viele Straßenhund, um die sich niemand kümmert. Auch Katzen leben teilweise wild und leiden unter Schmerzen verschiedener Ursachen.
Der Luxus ethischer Werte
Darüber habe ich viel nachgedacht, seit wir hier sind: Was für einen moralischen Luxus ein Leben mit Bildung und im materiellen Wohlstand nach sich zieht. Die Einheimischen hier haben teilweise keine Schulbildung und kaum mathematisches Verständnis. Für Rechnungen wie 40.000 + 30.000 benutzen sie einen Taschenrechner und geben dann zu viel Rückgeld, wenn sie 100.000 in Händen halten. Ich habe mit einer Balinesin gesprochen, die den Geburtstag ihres Kindes nicht richtig wusste (ihr Mann musste sie korrigieren). Er war im September geboren, zwei Monate nach meinem Kind. Ihr Fazit: Dann ist ihr Kind älter.
Tatsächlich denke ich, mit Fragen wie Umweltschutz, Tierrechten oder ethisch richtigem Handeln können sich Menschen in Entwicklungsländern oft nur bedingt beschäftigen. Meine Laienmeinung. Denn der Luxus ethisch richtigen Handelns und Denkens setzt zunächst finanzielle Sicherheit und einen gewissen Bildungsstandard voraus – Dinge, die hier viele Menschen einfach nicht haben.
Im ersten Moment sind wir schnell darin, uns über diese Verhaltensweisen zu brüskieren, sie zu verurteilen. Doch wenn wir genau hinsehen, ist der Unterschied zu unserem Leben von vor wenigen Jahrzehnten gar nicht so groß. Und die Chancen, die die Menschen hier haben, umso geringer.
Urlaub machen im Paradies
Das sollte jeder, der nach Bali reisen möchte, sich vorher klar machen. In meinen Augen (dazu gibt es auch andere, umweltschützerische Meinungen) kann man trotzdem in dem Bali von den Postkarten Urlaub machen. Immerhin bringt das Geld in dieses Land. Man sollte sich nur bewusst sein, dass das nicht echt ist, sondern für genau solche Menschen wie Dich und mich errichtet wurde, die hierher kommen und das “authentische Bali” erleben wollen. Die Insel der Götter, wo alles schön und kunstvoll verziert ist, die Strände weiß und das Wasser blau. Wundere Dich aber nicht, wenn sich beim Baden am Traumstrand eine Plastiktüte um Deinen Fuß wickelt…
Ja, das waren auch unsere Gedanken auf Bali. Ich war ehrlich gesagt etwas enttäuscht und hatte mir (vermutlich blauäugig) gerade beim Thema Meer und Strände mehr erwartet.
In der Tat könnte man sich das eigentlich vorher denken (oder lesen) aber man fällt trotzdem (stellenweise) auf das Klischee herein 😉
Ein interessanter Artikel! Ich war noch nie dort, habe aber, wenn ich an Bali denke, auch immer das Postkartenklischee vor Augen;)
Hat “die Realität” dich überrascht bzw. etwas an euren Plänen, dort zu leben, geändert? Vor allem mit Kind?
Liebe Grüße und alles Gute weiterhin, Britta
Mein Mann und ich waren vor einem Monat in Bali, für uns war der Urlaub traumhaft schön! Vor allem die Menschen waren sehr sanftmuetig und unverdorben.