Feindiagnostik, Pränataldiagnostik, PDA: Fluch oder Segen?
Dank unserer modernen Medizin können wir heute Babies bereits in den ersten Wochen durchleuchten und wie bei der Feindiagnostik eventuelle Auffälligkeiten, Abweichungen von der “Norm” feststellen. Jede Mutter, jeder Vater wünscht sich vor allem ein gesundes Kind, ein Kind, das später Chancen im Leben hat und zu einem glücklichen, erfolgreichen Erwachsenen heranwächst. Mit dem Gedanken daran, dass das vielleicht nicht der Fall sein könnte, geht jeder Mensch anders um. Viele wählen die vermeintliche Sicherheit durch die Medizin.
Pränataldiagnostik: Ersttrimester-Screening und Nackenfaltenmessung
Schon bei unserem ersten Frauenarztbesuch wurden uns bestimmte Untersuchungen angeboten, die wir freiwillig machen lassen können, jedoch auch selbst die Kosten tragen müssen, da die Krankenkasse diese Leistungen nicht abdeckt. Eine davon ist die Nackenfaltenmessung per Ultraschall. Diese hätte ungefähr im Zeitraum zwischen 11. und 14. Schwangerschaftswoche stattfinden können.
Was passiert bei der Nackentransparenzmessung?
Um es einmal ganz banal auszudrücken, es wird die Größe der Nackenfalte ausgemessen. Da das kleine Wesen im Bauch noch keine voll funktionsfähigen Nieren entwickelt hat, kann auch die Flüssigkeit noch nicht über diese abtransportiert werden und sammelt sich in der Nackenfalte des Kindes. Je kleiner diese aber ist, desto “besser”. Sollte nämlich die Nackenfalte unverhältnismäßig groß sein, so könnte dies auf eine mögliche Behinderung hindeuten. Allein über die Nackenfaltenuntersuchung lässt sich eine Diagnose aber nicht treffen. Es ist lediglich eine Möglichkeit der Früherkennung eines Down-Syndroms, auch bekannt unter Trisomie 21.
Die Ausmessung der Nackenfalte selbst ist wie eine Ultraschalluntersuchung und somit komplett risikofrei für Mutter und Kind, da nur auf der Körperoberfläche gearbeitet wird. Zusammen mit einem Bluttest, kann durch die Nackenfaltenvermessung ganz gut vermutet werden, ob das Kind irgendwelche körperlichen Schäden haben könnte.
Fruchtwasseruntersuchung bringt mehr Sicherheit – und Risiko
Um sicher sagen zu können, ob ein Down-Syndrom vorliegt, ist der zweite Schritt eine Fruchtwasserpunktion (Amniozentese) – und die ist nicht ohne Risiken für das ungeborene Kind. Zwar ist das Risiko mittlerweile relativ gering, aber es folgt in immer noch 0,5 % – 2,5 % der Fälle ein Abgang, d.h. das Kind stirbt. Eine Nadel wird durch die Bauchdecke eingeführt, um Fruchtwasser zu entnehmen. An den dabei entnommenen Zellen kann das Erbgut des Ungeborenen untersucht und eventuelle Erbkrankheiten festgestellt werden.
Mein – von mir mehr und mehr geschätzter – Gynäkologe hat dazu nur Folgendes gesagt: es gäbe in meinem Fall keine medizinische Indikation für diese Untersuchung. Erst für Frauen ab 35 sei diese Untersuchung überhaupt relevant und dann auch von der Kasse bezahlt. Seiner Erfahrung nach wollen manche Frauen diese aber trotzdem durchführen lassen. Das sei meine Entscheidung, aber ich solle mir vorher im Klaren sein, dass ich, nach dem Motto “Wer A sagt, muss auch B sagen”, die Ultraschalluntersuchung nur machen sollte, wenn ich bei einer Auffälligkeit auch eine Fruchtwasserpunktion durchführen lassen möchte. Für mich war schnell klar, dass ich keines von beidem möchte.
Wer A sagt, muss auch B sagen?
Jetzt, bei näherem Befassen mit dem Thema Pränataldiagnostik, ist mir auch klar, was er damit gemeint hat. Es gibt für eine Mutter wohl nichts schlimmeres, als eine “Halb-Diagnose”. Es könnte sein, dass dein Kind eine Behinderung hat. Da wäre es wohl besser, gar nichts zu wissen und die Schwangerschaft sorgenfrei zu durchleben. Das ist es, was häufig als Recht auf Nichtwissen bzw. Recht auf Unwissen diskutiert wird. Es gibt nie die Garantie für ein gesundes Kind. Der Unterschied ist nur, dass mittlerweile bestimmte “Krankheiten” – ungern möchte ich Menschen mit Down-Syndrom unterstellen, dass sie an einer Krankheit “leiden” – schon in frühen Stadien der Schwangerschaft diagnostiziert werden können und andere nicht. Was, wenn die Medizin sich weiter-entwickelt? Würden wir unser Kind auch abtreiben, wenn es später mal Diabetes bekommt? Oder wenn der IQ unter 100 liegen wird? Oder wenn unser Kind mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% später gewalt-tätig werden wird? Was ist mit Homosexualität? Kann das vielleicht für manche Eltern auch unerwünscht sein?
Schritt 2: Feindiagnostik nach der 20. SSW
Bei der Feindiagnostik, die meist von externen, spezialisierten Instituten durchgeführt wird, begibt sich der Mediziner nun gezielt auf Fehlersuche. Organ für Organ wird per Ultraschall überprüft und für gesund oder “abweichend” befunden. Das kann sehr beruhigend sein, wenn die Diagnose “normales Kind” lautet. Allerdings gibt auch das keine Garantie, dass das Kind wirklich gesund zur Welt kommen wird. Andererseits gibt es im Falle von Norm-Abweichungen auch keine Garantie, dass das Kind nicht gesund ist. Leider liest man immer wieder von Fehldiagnosen und den Folgen, die das für Mütter oder Eltern hat. Von Bindungsstörungen bis hin zu im Nachhinein bitterlich bereuten Abtreibungen liest man da. Wie und ob man mit einer solchen Diagnose leben kann, sollte sich daher jeder vorher überlegen. Wie wir mit der Möglichkeit eines behinderten Kindes umgehen, könnt ihr auf Sonea Sonnenschein lesen, die genau für dieses Thema eine eigene Rubrik eingerichtet hat.
Das Schöne an der Feindiagnostik sind natürlich die dabei entstehenden Bilder und Emotionen. Eltern haben ausgiebig Zeit, den Nachwuchs auf dem Ultraschall zu begutachten und bekommen in der Regel 3-4 Bilder mit nach Hause. Mir fällt es oft schwer, mir vorzustellen, dass und was da in mir heranwächst, das Kleine als werdende Person wahrzunehmen. Das Würmchen dann visuell vor mir zu sehen, hilft da immer sehr.
“Hilfe” bei der Geburt: die PDA
Ähnlich kritisch sehe ich mittlerweile auch die Peridualanästhesie. Bis zur genaueren Beschäftigung damit hat sich für mich eigentlich nur eine Frage gestellt: Wenn es eine Möglichkeit für uns Frauen gibt, die Schmerzen der Geburt nicht ertragen zu müssen, warum in aller Welt sollte auch nur eine weitere Frau sich das antun? Was meine Meinung geändert hat? Jana beschreibt auf ihrem Blog hebammenblog.de sehr eindringlich und aus Erfahrung, was tatsächlich bei einer PDA passiert: die Geburt wird, vor allem zum Leidwesen des Kindes, in die Länge gezogen und endet leider sehr häufig mit der sog. Saugglocke. So etwas kann man sich wirklich vorstellen, wie der Name klingt – sieht ein wenig aus wie das Gerät, das man zum Freiräumen von Rohren und Toilette benutzt – und der Abdruck davon ist Tage später noch am Kopf des Neugeborenen zu sehen. Einzige Alternative: die Zange. Und das klingt nun wirklich nicht nach einer guten Option.
Wenn ich mir nun also vorstelle, das Erste, was mein Baby auf dem Weg in diese Welt erfährt, ist ein endloses Feststecken im Geburtskanal, Angst, Enge, wenig Sauerstoff und dann ein Am-Kopf-Weggezogen-Werden, stellt sich für mich dir Frage, ob ich in der Lage sein werde, die Schmerzen zu ertragen, nicht mehr. Ich denke, eine Mutter würde alles tun, um ihr Kind vor schlimmen oder gar traumatischen Erlebnissen zu beschützen. Die Geburt ist das allererste Mal, dass sie das beweisen kann.
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Nackenfaltenmessung und Organscreening sind kaum vergleichbar: Das erste liefert gegen Geld einen mit 20 – 60% Chance falschen positiven oder negativen Verdacht, das zweite kann dagegen bestehende und therapierbare Erkrankungen erkennen. In Extremfällen kann sogar noch im Bauch operiert werden oder der Kreissaal kann besser auf die medizinischen Bedürfnisse des Kindes vorbereitet werden.
Über PDA und andere Schmerzmittel zur Geburt kann man sich natürlich vorher auch Gedanken machen, aber wenn es dann tatsächlich so weit ist, fällt die Entscheidung vielleicht ganz anders aus.
Ich habe beide Untersuchungen machen lassen und mich über die tollen Bilder gefreut. Tatsächlich wollte ich wissen,ob mein Kind eventuell eine Behinderung hat. Eine PDA brauchte ich zum Glück nicht.