“Da ist was Grünes dran, das esse ich nicht!” ruft der 5-jährige entrüstet. Ja, ich habe es gewagt, eine Prise Oregano in die ansonsten gemüse- und zwiebelfreie Tomatensauce zu streuen. Schuldig im Sinne der Anklage. Der Sohn isst also auch heute die Nudeln ohne jegliche Beilage. Warum Kinder kein Gemüse essen und wie Eltern sie ohne Zwang trotzdem dazu bringen können, soll heute Thema sein.
Warum Kinder kein Gemüse essen
Kinder bevorzugen “sicheres” Essen
Denn bei genauerem Hinsehen ist es ganz natürlich und folgerichtig, dass Kinder kein Gemüse essen und manchmal sogar scheinbar süßes Obst verschmähen. Des Rätsels Lösung liegt, wie so häufig, in unseren Genen. Einer meiner Lieblingsautoren, Herbert Renz-Polster, fasst die Tatsache so zusammen: “Kinder bewerten das Nahrungsangebot nach dessen Sicherheit und nach dessen Überlebenswert: Süßes, Eiweißhaltiges und Fettes weist auf problemfreie, energiereiche ‘Überlebensnahrung’ und wird deshalb bevorzugt. Bitteres und Saueres dagegen wird kritisch gewertet – schließlich steht es für wenig Nahrhaftes, möglicherweise Verdorbenes oder sogar Giftiges” (“Kinder verstehen” S.21).
Das galt für viele hunderttausende von Jahren in der menschlichen Evolution. Kinder, die diesem Programm folgten, hatten eine viel geringere Gefahr, versehentlich an giftigen Beeren oder einer Lebensmittelvergiftung zu sterben. Dass Kinder kein Gemüse mögen, dass ja in vielen Fällen eher kalorienarm und teils sogar etwas bitter ist, ist also eigentlich ein Vorteil. Ein Sicherheitsprogramm, mit dem Kinder geliefert werden.
Kleinkinder werden plötzlich mäkelig
Faszinierend finde ich auch, dass viele Babys bei Beikosteinführung fast alles essen und probieren, was ihnen angeboten wird. Wenn sie als Kleinkind dann mobil werden und selbständiger die Welt erkunden können, setzt der oben beschriebene Sicherheitsmechanismus ein: Plötzlich scheinen die Kleinen mäkelig und essen am liebsten nur noch Weißbrot und Pasta. Vor allem im Alter zwischen 2 und 4 Jahren ist die Angst vor neuen Nahrungsmitteln am ausgeprägtesten.
Du hast nichts falsch gemacht, wenn Dein Kind kein Gemüse essen will
Dass dieses Verhalten ein Problem ist, liegt nicht am Kind, sondern am Nahrungsangebot unserer modernen Welt. Denn früher bedeutete dieses Verhalten eben, dass manche Lebensmittel sehr viel und gerne gegessen wurden, wenn sie verfügbar waren – und andere eben aus der Not heraus, wenn dem nicht so war. Nun sind heute aber die kaloriendichten, “sicheren” Lebensmittel rund um die Uhr verfügbar und so essen viele Kleinkinder auch nur das. Weißbrot und Nudeln.
18 Tricks, wie Kinder trotzdem Gemüse essen
Nun weißt Du, warum sich Dein Kind so verhält. Das ist kein böser Wille und es ist nichts schief gelaufen. Trotzdem ist Gemüse ein unentbehrlicher Bestandteil einer gesunden Ernährung und es muss doch irgendwie möglich sein, die Kinder dazu zu bekommen, es zu essen. Ist es zum Glück auch. Denn nur, weil es einen guten Grund hat, warum Kinder kein Gemüse essen, müssen wir das nicht so hinnehmen.
1. Babyzeit nutzen
Die erste Chance, die wir haben, ist die Geschmacksprägung im Mutterleib und in der Babyzeit. Denn schon im Bauch werden Menschenkinder an den Geschmack der Lebensmittel gewöhnt, die ihre Eltern essen. Auch der Geschmack der Muttermilch verändert sich dann mit dem, was wir essen. Und schließlich bleibt noch das Zeitfenster, in dem Babys schon feste Nahrung zu sich nehmen, aber noch wenig mäkelig sind: Die Zeit unmittelbar nach Beikosteinführung.
Je vielfältiger und gemüsereicher ein Baby in dieser Zeit essen darf, umso besser. Immer mehr Eltern geben zusätzlich zum Brei oder anstelle von Brei Fingerfood (Babyled Weaning). Dadurch erlauben wir den Kleinen, möglichst viele Geschmacksnuancen in ihrer Reinform kennen zu lernen.
2. Essen mit Spaß
Gleichzeitig erlaubt das Essen von Fingerfood auch, dass Essen spannend ist und Spaß macht. Und zwar auch oder vor allem das Essen von Gemüse. Wir haben in dieser Zeit versucht, unsere Jungs möglichst eigenständig und unbehelligt machen zu lassen. Sie durften mit den Händen essen und alles erforschen. Ja, das braucht etwas Geduld und ist nicht immer schön, aber es lohnt sich.
Damit die Sauerei nicht ganz so groß wird, rate ich entweder zu einem guten Hochstuhl mit festem Tablett, auf dem man essen kann, oder zu einer schadstoffreien Essmatte aus Silikon, die sich am Tisch festsaugt.
3. Hungrig an den Tisch
“Der Hunger treibt’s rein”, heißt ein bayerisches Sprichwort. Und da ist auf jeden Fall etwas Wahres dran. Wenn mein 5-jähriger vor dem Essen mehrere Stunden abgelenkt war und am besten noch an der frischen Luft, gibt es kaum Diskussionen. Natürlich isst er trotzdem nicht alles, aber Gerichte, die sonst häufiger abgelehnt wurden, isst er plötzlich problemlos.
4. Gemüse-Snack
Und wenn er doch unmittelbar vor dem Abendessen schon Hunger hat? Dann habe ich da zufällig ein Schälchen mit geschnittenem Gemüse stehen. Gurke, Paprika, Tomate, Karotte, alles wandert mit Freude in das kleine Bäuchlein.
5. Wiederholung
Je häufiger ein Kind ein Nahrungsmittel isst, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es das dauerhaft tut. Auch brauchen Babys und Kleikinder oft bis zu 10 Anläufe, um einen neuen Geschmack zu mögen. Du solltest also nicht müde werden verschiedenes Gemüse anzubieten und probieren zu lassen.
6. Vorbild
Einer der wichtigsten Tricks, damit Kinder Gemüse essen, ist es selbst zu tun. Und zwar bei jeder Mahlzeit.
7. Gemeinsam kochen
Der Durchbruch bei uns und dem Gemüse war der Tag, als ich mit meinem Kind zusammen eine “Hexensuppe” aus einem Pixie-Buch nachgekocht habe. Er durfte mithelfen beim Gemüse schneiden und die Suppe umrühren. Danach hat er zwei Teller davon verschlungen – und das, obwohl sogar sichtbar Petersilie in der Brühe schwamm!!!
8. Kinder entscheiden lassen
Der durchschlagende Erfolg war vermutlich zum Teil auch darauf zurück zu führen, dass er entscheiden durfte, welche Gemüsesorten in die Suppe sollen. Wir waren sogar gemeinsam im Garten und haben geerntet. Alternativ kann auch gemeinsam einkaufen einen schönen Anreiz bieten.
9. Gemüse möglichst pur anbieten
Seitdem isst er fröhlich jede Suppe mit fast jedem Gemüse, das ich darin koche. Es gibt nur eine Bedingung: Die Gemüsesorten müssen klar erkennbar und in großen Stücken sein. Außen herum darf nur die Suppenbrühe sein, nichts Püriertes oder Stückiges.
In diesem Zusammenhang habe ich herausgefunden, dass das auch ohne Suppe drumrum funktioniert: Purer Brokkoli, Blumenkohl oder Erbsen werden mit Freude gegessen, solange sie pur und getrennt voneinander auf dem Teller liegen. Seitdem gibt es bei uns häufig einen Fondue-Teller mit separaten Fächern für ihn.
10. Pürieren
Für andere Kinder dagegen, das weiß ich, kann das Gemüse nicht fein genug püriert sein. Suppen, Saucen oder Smoothies werden gegessen, wenn keine Struktur und keine Faser mehr erkennbar sind.
11. Winzig klein schneiden
Manchmal hilft es auch, das Gemüse einfach sehr klein zu schneiden. Ungefähr die Größe, in der man Zwiebeln würfeln würde. Es gab eine Zeit, da hat mein Großer in dieser Form Gemüse in der Tomatensauce gegessen.
12. Gemüse verstecken
Ob Gemüsewaffeln, Gemüsepfannkuchen, Bratlinge oder in Ravioli versteckt – klein geraspelt und nicht mit bloßem Auge erkennbar macht Gemüse für viele Kinder attraktiv.
13. Rohkost mit Dip
Viele Kinder lieben Dippen. Und Dippen funktioniert nur, wenn man auch etwas hineindippt. Wenn also der Dipp schmeckt und nur Gemüsesticks vorhanden sind…wer weiß?
14. Schöne Formen
Das Auge isst ja bekanntlich mit, auch bei Kindern. Hast Du schon mal probiert, eine Gurkenscheibe als Herzchen auszustechen oder eine Tomate zu einer Blume zu schneiden? Vielleicht bringt das den nötigen Anreiz.
15. Zusammenhänge erklären
Ich weiß noch, wie wir einem 3-jährigen Besucherkind mal erklärt haben, dass unser Großer so stark ist, weil er viele Karotten und Brokkoli isst. Am selben Abend saß er bei uns am Tisch und aß Ofengemüse, bis er nicht mehr konnte. Eine absolute Seltenheit bei ihm.
Je größer die Kinder dann werden, desto mehr interessieren sie sich für tatsächliche Zusammenhänge zwischen den Nährstoffen aus dem Gemüse und deren Funktion im Körper. Mein 5-jähriger weiß zum Beispiel, dass der Körper Vitamine und Nährstoffe braucht für die Muskeln, das Wachstum und die “Körperpolizei”.
16. Geschichten am Esstisch
Für kleinere Kinder tun es manchmal auch Geschichten im Zusammenhang mit Essen. Vor allem Geschichten aus der eigenen Kindheit oder wie das Gemüse auf den Teller kommt, kommen oft sehr gut an und machen das Gemüse attraktiv. Wir haben zum Beispiel auch ein Kinderbuch zuhause, das eine Geschichte von den Superkräften im Gemüse erzählt.
17. Gemüse nicht in attraktiver Gesellschaft
Das klingt jetzt vielleicht doof, aber wenn ich die Wahl zwischen Salat und Pizza habe, fällt es mir auch schwer, Gemüse zu essen. Wie könnte es bei Kindern anders sein? Je weniger attraktiv also die Alternativen zum Gemüse sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es gegessen wird.
18. Unbeliebte Alternativen
Natürlich sollte man Kinder niemals zwingen, denn das erzeugt zusätzliche Abneigung. Es macht aber doch einen Unterschied, ob die Alternative bei der Verweigerung des Gemüses ein weißes Brötchen mit der Lieblingswurst ist oder ein dunkles Vollkornbrot mit Butter.
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Hallo Hanna
Interessanter Beitrag. Ich kann mich an meine eigene Kindheit erinnern. Da wollte ich auch nie Gemüse essen. Das hat auch bis ins Erwachsenenalter gehalten. Erst mit Mitte 20 habe ich Gemüse für mich entdeckt.
Bei uns war der Hauptgrund, dass Gemüse halt einfach nie geschmeckt hat. Bei der Generation unserer Eltern oder Großeltern war es irgendwie üblich (zumindest bei uns), das Gemüse so lange zu schmoren, bis es auch Großvater mit herausgenommenem Gebiss essen konnte. Dazu noch lieblos gewürzt. Das schmeckte wirklich keinem.
Wenn wir nun Gemüse zubereiten, geschieht dies meist im Bräter. In wenig Öl schön anbraten, bis sich eine kleine braune Kruste bildet, innen aber noch beinahe roh ist. Dazu gut salzen. Dill drüberstreuen. Bei Karotten oder Fenchel auch gerne ein paar Tupfer Aceto Balsamico drauf.
Das schmeckt sogar unserem kleinen Noah 🙂
LG
Julia
Hallo Julia,
ja, die Kochkünste machen leider schon einen Unterschied 🙁
Vielen Dank für diesen Input,
viele liebe Grüße,
Hanna