Eigentlich sollte das ein Post darüber werden, ob Mütter jammern “dürfen” – oder besser nicht. Das wurde in letzter Zeit auf einigen Elternblogs, nicht zuletzt auch im Rahmen unserer Blogparade “Wenn ich das vor dem ersten Kind gewusst hätte…”, heiß diskutiert.
Ausgelöst wurde diese Debatte von einem Blogpost auf mama-schreibt.com mit dem Titel Regretting Motherhood. Die Quintessenz des Beitrags besteht darin, dass die Autorin nicht verstehen kann, wieso Mütter so viel jammern. Sie selbst hat ein 6 Monate altes Baby als Pflegekind bekommen und ist darüber mehr als glücklich, sie hat sich so sehr ein Kind gewünscht. Doch zu ihrem Erstaunen scheint das nicht allen Müttern so zu gehen, denn sie trifft sehr oft auf Mütter, die es so aussehen lassen, als würden sie es bereuen, Kinder bekommen zu haben. Oder die zumindest unaufhörlich klagen, wie anstrengend das Mutter-Sein ist. Abschließend ruft sie diese Mütter auf, die ohne großen Grund (es geht nicht um tatsächlich überforderte oder alleinerziehende Mütter oder solche von 24-Stunden-Babys) genervt sind von ihren Kindern, so nicht weiter zu machen. Ihren Kindern zuliebe sollten sie versuchen, Hilfe anzunehmen, einen Ausgleich zu finden oder zumindest ihren Frust über die Kinder nicht an ihren Kinder auszulassen. End of Story.
Der Beitrag schlug ordentlich Wellen. Der neue Blog mama-schreibt.com war auf einmal in aller Munde und 90% seiner Verlinkungen sind auf diesen Blogpost zurückzuführen. Auf diesen Post haben natürlich auch andere Blogs reagiert und sich direkt drauf bezogen:
Oeko-Hippie-Rbenmuetter.de
Mamis-blog.de
VongutenEltern.de
2Kindchaos.de
Teilweise wurde wohl auch auf den Post etwas überreagiert. Weil es nicht jedem so leicht fällt, das Eltern-Sein zu genießen, weil manche eben wirklich schwierige Babys haben / hatten. Weil manche auch der Meinung sind, dass die Kinder eben doch mitbekommen sollen, dass Mama manchmal genervt ist (von ihnen) und nicht alles eitel Sonnenschein ist. Dabei hatte der Artikel in keinem Wort verlangt, dass es Müttern immer gut gehen müsse. Die Verfasserin hat lediglich deutlich gemacht, dass sie es missbillige, wenn Mütter ihren Kindern ein schlechtes Gewissen machen, ihnen das Gefühl geben, die Kinder seinen Schuld, dass es der Mutter nicht gut gehe. Ich denke nicht, dass die Blogger, die sich dadurch angesprochen gefühlt und reagiert haben, auch tatsächlich gemeint waren. Deshalb wollte ich heute zu dem Thema auch mal meinen Senf abgeben.
Exkurs: Über das Miteinander
Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, möchte ich noch über etwas anderes schreiben. Über Blogs, Soziale Netzwerke und das Internet. Die Verfasserin des Posts auf mama-schreibt.com hatte nämlich vor wenigen Wochen erst ihren Blog hochgezogen und munter angefangen zu schreiben. Sie war der Meinung, dass man auf seinem persönlichen Blog ruhig auch eine persönliche Meinung wiedergeben darf, egal in welche Richtung sie ausfällt oder ob sie der gängigen Meinung entspricht. Ein Irrtum, wie sich herausstellte, dem auch ich bis dato unterlegen war. Denn sie bekam nicht nur prompt “normalen” Gegenwind von anderen Mami-Bloggern (wie ihr oben schon lesen konntet), sondern teils auch richtig fiese Blog-Post-Antworten, wirklich unter der Gürtellinie. Auch Leser fühlten sich wohl angestachelt von den Rezeptionen ihrer Lieblings-Blogautoren und so erreichten die Autorin am Ende sogar Droh-Mails (ja, wirklich solche, wo man überlegt, zur Polizei zu gehen!). Ganz ehrlich, spätestens da wäre ich auch eingeknickt. Die Autorin hat ihr Blog gelöscht und das Bloggen erst einmal wieder aufgegeben. Obwohl sie wirklich Spaß daran hatte. Und das finde ich wirklich mehr als schade! Musste das wirklich sein?
Für mich ist das Internet und vor allem die Sphäre der Elternblogs eine wunderbare Gelegenheit, Meinungen auszutauschen und im Zeitalter der Kleinfamilien und Urbanisierung Einblick ins Familienleben anderer zu gewinnen. Wo sonst kann man hautnah miterleben, wie andere Familien sich strukturieren, was Mütter / Väter bewegt, wie sie sich ihren Kindern gegenüber verhalten. Viele Blogger zeigen sogar, obwohl das immer wieder kontrovers diskutiert wird, Bilder ihrer Familien. Sie lassen euch an ihrem Privatleben teilhaben. Damit ihr vergleichen, nachdenken, lernen könnt. Natürlich macht uns das als Blogger Spaß und wir haben uns freiwillig dazu entschieden. Trotzdem investieren wir viel Zeit und Energie, um ein Blog wie dieses zu führen. Und wir machen uns angreifbar. Es gibt immer Leute, die mit unserer Meinung und unserem Erziehungsstil nicht glücklich sein werden.
Bitte lasst trotzdem den Dank für unsere Offenheit nicht Anfeindungen und Drohungen sein!
Wenn eine Meinung nicht passt, kann man das auf einer angemessenen Ebene kommunizieren. Niemand hat etwas gegen kontroverse Meinungen. Im Gegenteil, genau das ist doch schön an der Vernetzung der Elternblogs: dass dieselbe Sache aus verschiedenen Richtungen beleuchtet und dargestellt wird. Dafür gibt es ja das Global Village und uns Blogs. Und Verlinkungen und Antworten auf Blogposts. Angemessene Antworten!
Am Ende möchte ich, trotz allem, noch in Kürze meine Meinung zum eigentlichen Thema mitteilen. Dieser Teil ist vor dem oberen entstanden und ich hoffe, dass ihr versteht – das ist meine Meinung! Kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit, kein Grund aggro zu werden, auch wenn ihr eine andere habt. Wenn euch ein Beitrag auf einem Blog, egal welchem, nicht passt und ihr nicht angemessen eure Meinung dazu äußern könnt, bitte klickt einfach weg, lest in Zukunft andere Blogs. (Für alle, die zu aggro sind und das nicht schaffen, haben wir eine Emailadresse eingerichtet: schickt eine Mail an drohmails@rubbelbatz.de, um euch Luft zu machen, wenn es euch danach besser geht. Unter den ersten 50 Drohmails verlosen wir eine wirklich tolle Antwort. Der Rechtsweg ist leider in diesem Falle ausgeschlossen.)
Dürfen Mütter über ihre Kinder jammern?
Natürlich dürfen sie! Kein Mensch ist perfekt, nicht die Eltern und nicht die Kinder und natürlich leistet eine Mutter oder ein Vater, wenn sie sich um die Kindererziehung kümmern, einiges. Da muss es schon mal drin sein, Dampf abzulassen. Ich behaupte sogar, dass es notwendig und gesund ist, das zu tun. Denn wenn man seinem Ärger nie Luft macht und alles in sich hineinfrisst, staut sich alles nur auf und wird immer größer und größer. Dann lieber ab und an mal richtig ablästern, egal was es ist, was einen stresst, danach wird es definitiv besser gehen. Wenn ich morgens aufwache, mir alles wehtut vom nächtlichen Dauerstillen und ich jede Stunde genau in meiner Tiefschlafphase geweckt wurde, scheint mir auch nicht die Sonne ausm Hintern.
Dürfen Mütter in Gegenwart ihrer Kinder jammern?
Natürlich dürfen sie! Was für ein Menschenbild würden unsere Kleinen, für die wir ja das Vorbild Nr. 1 darstellen, erhalten, wenn wir immer alles toll finden würden und Ärger oder große Anstrengung einfach kommentarlos hinnehmen? Wie groß wäre wohl die Frustration, wenn sie eines Tages versuchen, diesem Vorbild gerecht zu werden? Außerdem spüren Kinder doch, wenn wir schlecht gelaunt sind und wenn wir es nicht verbal erklären, verstehen sie es nur schwer. Ich habe mir angewöhnt, meinem Kleinen dann immer kurz zu sagen, dass das nichts mit ihm zu tun hat, dass ich einfach nur einen schlechten Tag habe. Das ist meiner Meinung nach auch die Wahrheit. Mein Baby ist nie “schuld” daran, dass ich genervt bin, dafür ist er doch noch viel zu klein.
Dürfen Mütter in Gegenwart ihrer Kinder über ihre Kinder jammern?
Und hier stimme ich der Autorin von mama-schreibt.com voll und ganz zu: NEIN, dürfen sie nicht! Das ist verdammt noch mal entwürdigend und herablassend! Ein Kind ist ein Kind und natürlich hat es Macken oder macht nicht immer das, was wir wollen. Aber das ist absolut kein Grund, es anzugreifen! Egal, ob ich direkt zu meinem Kind sage, “Du bist so nervig” oder, was ich fast noch respektloser finde, mit einer dritten Person in seiner Gegenwart darüber jammere, wie ungezogen und schlimm mein Kind ist, das macht was mit den Kleinen! Ich bin seine Mutter und natürlich glaubt er, was er da hört. Die Botschaft sickert jedes Mal ein bisschen tiefer ins Unterbewusstsein und greift das kleine Menschlein von dort aus an. “Ich bin nervig. Ich bin nicht so, wie ich sein sollte. Mit mir stimmt was nicht. Ich mache meiner Mama Ärger. Meine Mama hat mich manchmal nicht so lieb, weil ich so bin, wie ich bin.”
Vom Small-Talk-Jammern
Dann gibt es da noch etwas, was ich gerne “Small-Talk-Jammern” nennen möchte. Meiner Beobachtung nach gibt es zwischen Müttern die Angewohnheit, darüber zu jammern, wie schlimm das Mutter sein ist. Wie anstrengend die Nächte, dass man nie Freizeit hat, keinen Feierabend und kein Wochenende. Dass der Mann nix im Haushalt macht und man zu nichts kommt usw. Das erinnert mich so ein wenig an die Gespräch über’s Wetter, die man mit Fremden führt oder wenn man nicht weiß, worüber man reden soll. Niemanden interessiert tatsächlich, wie der andere über das Wetter denkt, aber es ist eine Art, im Kontakt zu bleiben und peinliche Stille zu vermeiden. So dient das Small-Talk-Jammern meiner Meinung nach dazu, zu zeigen, dass man Teil vom “Mami-Club” ist, dass man in derselben Situation steckt wie die anderen und Verständnis aufbringen kann. Gruppenbildung sozusagen. Da spricht ja eigentlich nichts dagegen – allerdings habe ich mich selbst in letzter Zeit schon manchmal ertappt, wie ich anfange, dieses Gejammer zu glauben – obwohl ich eigentlich keinen Grund dazu habe und so gar nicht denken möchte.
Ich fände es viel schöner, wenn es ein Small-Talk-Schwärmen gäbe, wenn jeder erzählen dürfte, wie süß, klug und witzig das eigene Kind doch ist.
Ich finde das super, wie du das ganze Geschehen beleuchtet hast. Ich habe “Regretting Motherhood” zwar mitbekommen aber was sich da hinter der Bühne abgespielt hat nicht. Sehr interessant. Ich sage es zu meinen Kindern schon mal, wenn sie mich nerven, was keine Wertung ihrer selbst ist, sondern ein Ausdruck meiner Gefühle und Gefühle sollte man finde ich mitteilen, genausp dürfen sie mir ja auch ihre Gefühle mitteilen 🙂