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Unsere Erfahrung mit Windelfrei nach 4,5 Monaten
Seit ich Lini Lindmayers “Windelfrei? So geht’s” gelesen habe, bin ich ein großer Fan von Windelfrei – was nicht heißt, dass wir durch unsere Erfahrung mit Stoffwindeln nicht Unmengen davon zu Hause haben. (Heute morgen musste ich mich ernsthaft der Frage stellen, ob für der Kauf von Stoffwindeln ein gewisses Suchtpotential bietet!)
Unsere Version von Windelfrei bedeutet lediglich, dass wir versuchen, die Windeln möglichst wenig zu brauchen oder phasenweise ganz wegzulassen. Nicht um die Windeln zu schonen oder um Recht zu behalten, sondern um unseren Kleinen in seinen Bedürfnissen zu respektieren. Und dazu gehört eben nicht nur Hunger und Müdigkeit, sondern auch das Ausscheidungsbedürfnis. Genausowenig wie die anderen seiner Bedürfnisse möchten wir dieses nicht ignorieren, sondern ihm zeigen, dass wir uns Zeit nehmen und dass er sich auf uns verlassen kann. Und ich muss ganz ehrlich sagen: Es klappt! Nicht immer und nicht ausnahmslos, aber ziemlich oft. So gibt es mittlerweile immer öfter Tage, an denen die Windel komplett trocken bleibt.
Und während anfangs das “Experiment” hauptsächlich von mir ausging und der Rubbelpapa es quasi geduldet hat, konnte er mittlerweile seine Angst, angepinkelt zu werden oder schlimmeres, überwinden und es scheint bei ihm oft sogar noch besser zu klappen, als bei mir. Mir kommt es fast so vor, als hätte der Rubbelbatz auch hier größeren Spaß mit ihm, als mit mir.
Immer mal wieder gibt es allerdings Tage, da klappt gar nichts. Er windet sich und möchte nicht abgehalten werden, nur um Minuten später in die Windel zu pinkeln. Das sind oft Tage, an denen er sehr müde und schlecht gelaunt ist oder kürzlich am Anfang seines 19-Wochen-Schubes. Ich akzeptiere das mittlerweile relativ schnell und quäle weder mich noch ihn mit weiteren vergeblichen Versuchen. Dann gibt es eben mehr Windelwäsche und gut. Sogar das große Geschäft ging ein paar Mal in die Hose in den letzten 2 Wochen. Das ist natürlich weniger angenehm zu waschen, aber auch kein Drama. Meistens können wir ihn dann ja möglichst schnell doch noch abhalten und der Rest geht ins Eimerchen, nicht mehr in die Windel.
Ohne Windeln: Woher wissen wir, wann er muss?
Das ist natürlich die Frage, die ich immer gestellt bekomme und die leider gar nicht so einfach zu beantworten ist. Schön wäre es, wenn er z.B. immer einen bestimmten Ton machen würde oder ein eindeutiges Verhalten zeigen. Das ist leider reines Wunschdenken, auch wenn es bei Lektüre entsprechender Bücher manchmal so suggeriert wird.
Nonverbale Kommunikation
Tatsächlich ist es so, dass man sein Baby einfach gut kennen und wahrnehmen muss. Natürlich gibt es Laute und Verhaltensweisen, die Harndrang oder einen vollen Darm signalisieren können. Denn leider können dieselben Laute und Bewegungen auch etwas ganz anderes Bedeuten. Müdigkeit z.B. oder körperliche bzw. geistige Anstrengung. Zudem gibt es sowas wie ein Ausscheidungsmuster, d.h. nach einiger Zeit weiß man in etwa, zu welcher Tageszeit und in welchen Situationen das Baby wie oft ausscheiden muss. Immer direkt nach dem Aufwachen z.B. oder häufig nach dem Stillen. Morgens muss unser Kleiner meist sehr häufig, etwa alle 15-20 Minuten. Nach etwa einer Stunde werden die Abstände dann größer, teils bis zu 1,5 Stunden.
Die gute Nachricht ist: sobald er in der Abhalteposition ist, können wir relativ schnell und mit hoher Trefferquote sagen, ob tatsächlich etwas kommen wird oder nicht. Das merkt man zum einen an seiner Körperspannung und seinen Bewegungen, zum anderen daran, ob er anfängt zu drücken oder nicht. Dabei macht er immer entsprechende Töne und meistens kommt dann auch was.
Wo pinkelt das Baby hin, wenn es keine Windel trägt?
Das häufig erwähnte Ziel-Problem (bei Jungs gar nicht so einfach, wo die Pipi hinschießt) haben wir übrigens immer noch nicht abschließend gelöst. Wir haben uns allerdings arrangiert mit folgenden Lösungsansätzen: das Töpfchen haben wir erstmal wieder beiseite gepackt. Stattdessen haben wir einen zweiten Badeeimer, der ausschließlich als Baby-Toilette dient, besorgt. Der steht immer im Wohnzimmer vor der Couch, mit einem Handtuch dahinter ausgelegt. Da halten wir ihn tagsüber drüber, während wir bequem auf der Couch sitzen können. Das große Geschäft geht so immer ins Eimerchen, das kleine auch mal in hohem Bogen auf das Handtuch, das dann wieder trocknen kann. Auch die Badewanne bietet eine gute Option, da lässt sich danach alles mit heißem Wasser wegspülen. Mit der Zeit wird man aber auch echt gut im Zielen. Nachts nehmen wir auch den Badeeimer. Da wir jetzt nur noch als Familienbett auf Lattenrost und Matratze schlafen, muss ich den Eimer etwas kippen, um ihn von der Bettkante aus abhalten zu können. Das hat den Vorteil, dass die Vorderwand des Eimers fast immer alles abfängt und wir nachts kein Problem haben.
Kann mein Kind nachts trocken werden durch windelfrei?
Auch nachts hat sich der 19-Wochen-Schub bemerkbar gemacht. Er schläft seitdem sehr unruhig, wacht manchmal nachts auf, weint und lässt sich nur beruhigen, wenn er auf einem von uns beiden weiterschlafen darf. Anfangs bedeutete viel Aufwachen auch viele nasse Windeln nachts und er hat sogar wieder angefangen, nachts zu keckern.
Wie oft Windeln wechseln nachts?
Ich habe ein paar Nächte gebraucht, mich darauf einzustellen, aber auch zum Thema windelfrei in der Nacht hat sich dadurch einiges verändert. Früher wollte er partout nicht nachts abgehalten werden. Er hat gebrüllt wie am Spieß. Weil er nachts meist auch richtig viel gepullert hat und die Stoffwindeln regelmäßig ausgelaufen sind, sind wir hier auf Öko-Wegwerf-Windeln umgestiegen und ich habe ihn nachts in Ruhe gelassen.
Die Windel habe ich einmal nachts gewechselt und mein Baby konnte in Ruhe und trocken schlafen. Vor einiger Zeit habe ich festgestellt, dass er nicht mehr so oft und viel pinkelt in der Nacht und wir haben deshalb angefangen, mit Mullwindeln, Totsbots Bamboozle oder Popolini Ultra Fit Organic zu wickeln. Wie bei den Wegwerf-Windeln habe ich auch hier einmal pro Nacht, wenn er ohnehin am Aufwachen war, gewechselt und danach gestillt. Dadurch ist er meist ohne Probleme wieder eingeschlafen und die Windeln haben immer gehalten.
Erster Erfolg, um nachts trocken zu werden
Vor einigen Nächten dann das für mich erhellende Erlebnis: er ist in Windeln aufgewacht und hat sofort losgeweint. Die Brust hat er verweigert und auch Hochnehmen hat nicht geholfen. In meiner Verzweiflung habe ich also die Windel überprüft. Sie war trocken und er war sauber. Da er aber nun eh wach war und eh schon gebrüllt hat, habe ich ihn neben dem Bett über unserem Eimer abgehalten. Und siehe da: es war sofort Ruhe.
Er hat eine richtig große Menge gepullert, sich danach ruhig hinlegen und anziehen lassen und ist ohne Brust zufrieden wieder eingeschlafen. Ich war wirklich baff. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass für ihn das Abhalten wirklich so wichtig ist. Seitdem versuche ich wieder öfters, ihn nachts abzuhalten. Ich wache ja ohnehin auf, wenn ich ihn stillen muss und ehrlich gesagt, ist es mir schon lieber, er schläft in einer trockenen Windel. Im Gegensatz zu früher lässt er das nun gerne zu. Selbst wenn er beim Hochnehmen meckert, ist er sofort still, wenn ich das Schlüsselwort sage und nutzt die Gelegenheit. Vorletzte Nacht waren wir auf diese Weise komplett trocken. Er musste einmal um kurz vor Mitternacht und hat dann bis zum nächsten Morgen um 5.30 Uhr gehalten, obwohl er zwischendurch zweimal gestillt werden wollte.
Babys können Ausscheidungen kontrollieren
Ich bin auch immer wieder erstaunt, wie er nach dem Aufwachen wirklich so lange wartet, bis wir ihn im Bad in Position gebracht haben. Oft fängt er exakt in dem Moment, in dem wir das Schlüsselwort sagen, an, sein großes und kleines Geschäft zu verrichten.
Auch wenn wir ihn im Tuch oder einer anderen Tragehilfe tragen, pinkelt er nur im äußersten Notfall, d.h. wenn wir unterwegs sind und seine Signale ignorieren. Ansonsten fängt er an zu zappeln und unruhig zu werden, bis ich ihn rausnehme und abhalte. Das kann schon mal einige Minuten dauern, wenn ich z.B. vorher noch kurz die Pizza fertig belegen und in den Ofen schieben möchte, um danach gleich mit ihm im Wohnzimmer bleiben zu können und ihn nicht wieder ins Tuch packen zu müssen. Manchmal merke ich dann, wie dringend er wohl schon musste, also wie viel Druck dahinter ist. Mit solchen Situationen im Hinterkopf kann mir niemand das weit verbreitete Ammenmärchen erzählen, dass kleine Kinder und Babys ihre Ausscheidungen noch gar nicht kontrollieren können, sondern einfach laufen lassen, wenn es kommt. Unser Baby kann das sehr wohl kontrollieren. Alles, was er braucht, sind feste Rituale und Schemata, damit er weiß, wann er Wasser lassen soll und wann nicht.
Wenn er z.B. merkt, dass er nicht wie gewohnt abgehalten wird, lässt er es einfach laufen. Neulich kamen wir nach Hause und seine Windel war nass. Normalerweise halten wir ihn immer gleich ab, wenn wir nach Hause kommen und ihn aus dem Tuch geholt haben. Ich dachte, dass er aus irgendeinem Grund schon nicht mehr halten hat können und die Windel daher nass ist (wir waren ein Weilchen unterwegs). Also habe ich ihn unten ohne im Bad abgelegt, um selbst die Toilette zu nutzen. In dem Moment, in dem er mich weggehen sah, pinkelte er in hohem Bogen. Offensichtlich hatte er noch im Stillcafé, bevor er im Tuch war, in die Windel gemacht und seit Ankunft zu Hause gewartet, wie gewohnt abgehalten zu werden.
Die Angst der Eltern vor Ausscheidungen
Die häufigsten Gegenargumente, die ich höre zum Thema windelfrei sind: “Das wäre mir zu stressig.” und “Da pinkelt das Baby doch überall hin.”
Ja, es ist mehr Arbeit, auf die Ausscheidungssignale eines Babys entsprechend zu reagieren. Ja, ich ziehe mein Baby wirklich oft aus und wieder an. Manchmal auch ohne Ergebnis, d.h. manchmal muss er auch einfach nicht und ich habe das ganze Spektakel umsonst veranstaltet. Aber ist es nicht auch mehr Aufwand, sein Baby ansonsten gut und liebevoll zu versorgen? Ich meine, wenn man möglichst wenig Aufwand mit seinem Baby möchte, jetzt mal überspitzt ausgedrückt, kann man es doch auch einfach in eine Wiege oder einen Laufstall legen, alle 4 Stunden füttern und die Windel wechseln und das war’s. Ansonsten kann man ohne Stress – denn auch das Geschrei aus Hunger, Angst oder Einsamkeit hört irgendwann auf, wenn es lange genug ignoriert wurde – seinem Alltag nachgehen. Oder? Ich bin mir sicher, dass niemand auch nur darüber nachdenken würde, die Bedürfnisse seines Kindes so zu ignorieren, das wäre grausam. Wie sehr jemand seine eigenen Bedürfnisse hinten anstellt, sich Zeit nimmt und versucht, dem Baby alles zu geben, was uns möglich ist, muss jeder selbst für sich entscheiden. Wichtig ist denke ich immer, dass es auch den Eltern gut geht. Ein Baby hat nichts davon, wenn seine Mama sich aufopfert und nach einigen Wochen weinend zusammenbricht. Oder ständig unausgeglichen, gereizt und schlecht gelaunt ist.
Ich persönlich kann in meiner Situation die Zeit und Energie aufbringen, mein Baby abzuhalten. Deshalb mache ich es. Das bedeutet für mich nicht mehr Stress, als ihn ständig umherzutragen statt ihn im Kinderwagen abzulegen oder ihn bei uns im Bett schlafen zu lassen. Für mich ist das in Ordnung und fühlt sich richtig an.
Ja, manchmal geht etwas daneben. Neulich z.B. hat sein Papa den Rubbelbatz, unten ohne, versehentlich in der Abhalteposition gehalten, während er mit mir gesprochen hat. Nach wenigen Minuten hat der Kleine im hohen Strahl auf unseren Boden gepullert. Logisch aus seiner Perspektive. Das passiert. Allerdings haben wir ab und an (viel häufiger als Pipi) auch mal Babykotze am Pulli oder auf dem Boden oder sonstwo. Wer eine völlig sterile und saubere Wohnung möchte, der sollte vielleicht auf Kinder verzichten. Für mich ist außerdem die Alternative auch nicht wirklich angenehm: um uns und die Wohnung davor zu schützen, halten wir seine Ausscheidungen direkt am Popo unseres Sohnes? Das kommt mir nicht wirklich fair vor – vor allem nicht, wenn es eine praktikable Alternative gibt. Es kommt außerdem ohnehin für fast alle Eltern die Zeit, in der das Kind überall hinpinkelt. Nämlich dann, wenn es mit 2 oder 3 Jahren sauber werden und das Töpfchen benutzen soll. Nach jahrelangem Ignorieren entsprechender Körpersignale fällt es manchen Kindern wahnsinnig schwer, diese zu kommunizieren oder überhaupt wahrzunehmen.