Wunschkind oder Unfall?

Drücken wir uns bewusst vor der Entscheidung zum Kind?

Neulich in der Arztpraxis nahm ich die NEON in die Hand und öffnete sie promt bei einem Artikel übers schwanger werden. Die These: unsere Generation hat Angst, sich bewusst für Kind und Familie zu entscheiden. Deshalb tun wir lieber so, als würden wir uns kein Kind wünschen, aber “wenn es passiert, wäre es keine Tragödie”. Klingt genau nach mir? Ist mir auch aufgefallen! Und auch Sebastians Gastbeitrag könnte dazu zählen. Tatsächlich, so die Autorin, sind mittlerweile fast alle unsere Entscheidungen revidierbar. Selbst die Ehe lässt sich leicht wieder rückgängig machen. Ein Kind nicht. Wer einmal Vater oder Mutter ist, der ist es den Rest seines Lebens. Wir können uns nicht nach ein paar Wochen denken, dass das doch die falsche Entscheidung war – ein Zurück gibt es nicht, das Kind kommt ohne Rückgaberecht. Darum möchten wir es dem “Zufall”, “Unfall” oder “Schicksal” überlassen, sodass wir dann sagen können, wir wollten ja eigentlich eh nicht, das ist halt so passiert. Zum Beispiel, wenn wir mit dem Kind überfordert sind. Zusätzlich werde in unserer Gesellschaft eine geplante Familie mittlerweile eher gering geschätzt, als zu rational und nüchtern betrachtet, während ein Zufallskind etwas Romantisches hat.


Ist unser Kind nun ein Wunschkind oder Unfall/Zufall?

Nach diesem gerade mal 2-seitigen Artikel saß ich da und hatte tatsächlich ein schlechtes Gewissen, mich nicht vor alle Welt gestellt zu haben mit den Worten: “Wir planen, demnächst ein Kind zu machen – ein Wunschkind!” Denn Fakt ist, dass die “Anschuldigungen” des NEON-Artikels auf mich auf jeden Fall zutrifft. Denn obwohl ich mir irgendwie natürlich ein Kind gewünscht habe, hätte ich das nie vor mir oder anderen zugeben wollen. Warum? Nicht nur aus Feigheit vor der Tragweite der Entscheidung – denn so schlau, das könnt ihr glauben, bin ich schon, dass ich weiß, wie und wann ein Kind entstehen kann und wie ich es hätte konsequenter verhindern können – sondern vielmehr aus einer Art Selbstschutz. Selbstschutz vor der Situation, wenn es nicht so klappt, wie man sich offen wünscht. Mein Mann und ich verhüten seit einigen Jahren nur noch auf natürliche Weise – keine Hormone oder Gummis. Das heißt, es hätte seit einigen Jahren theoretisch auch schon passieren können. Ob es an unserer Anwendung des NFP-Verhütungssystems oder an etwas anderem gelegen hat, dass das eben nicht passiert ist, können wir nicht wissen.

In meinen Augen ist die Gefahr, durch einen expliziten Kinderwunsch durch sich selbst und andere unter psychischen Druck zu geraten, sehr groß. Wenn es nicht klappt, ist man jeden Monat wieder enttäuscht, wenn die Regel kommt. Die anderen fragen nach, wie es läuft und man muss jedes Mal sagen, dass man noch nicht schwanger ist. Es schadet doch niemandem, diesen Druck von uns werdenden Eltern fern zu halten und sich dann zu freuen, wenn es so weit ist.

Wunschkind!

Wenn unser Sohn uns eines Tages fragt, ob wir ihn eigentlich wollten und er ein Wunschkind sei, wird unsere Antwort jederzeit “Ja natürlich!” sein. Denn spätestens jetzt im Nachhinein können wir beide zugeben, dass wir bereit waren für eine Familie und diese auch wollten. Ich nur so irgendwie und unterbewusst, er tatsächlich. Trotzdem haben wir vorher nie offen darüber gesprochen und so jeglichen Druck von uns ferngehalten. Ich kann darin nichts Falsches sehen und würde es jederzeit wieder so machen.


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1 Kommentar zu „Wunschkind oder Unfall?“

  1. Ich gebe dir vollkommen recht. Bei uns war es zwar so, dass wir tatsächlich das Kind “geplant” haben mit Ovus und GV an den fruchtbaren Tagen etc., aber wir haben davon weder der Familie noch im Freundeskreis berichtet. Eben, um uns genau diesen zusätzlichen Druck zu ersparen. Wie du sagst, es war auch so enttäuschend, wenn es wieder nicht geklappt hatte; aber es langte, dies vor uns zuzugeben- das mussten wir nicht noch öffentlich breittreten. Ich hätte geko** wenn ich dann Monat für Monat hätte “Rechenschaft” ablegen und mir gutgemeinte Ratschläge anhören müssen. Nee, nee, es gibt Dinge, die gehen nur einen selbst bzw. einen als Paar etwas an und auch wenn das Mitfiebern von vielen sicher nett gemeint ist, ich fände es nur lästig und druckerhöhend.
    LG

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